In einfachen Worten erklärt: Was ist Augmented Reality?

Christian Kittl: Augmented Reality steht für erweiterte Realität. Unsere Umgebung wird mit Hilfe von digitalen Medien um Informationen angereichert. In der Regel geht es darum, Bilder mit weiteren Inhalten auszustatten. Diese kann man sich dann mit einem Smartphone oder einer Brille mit Bildschirm ansehen. Bei Ingress ist das ein bisschen anders: Neben der realen Welt existiert noch eine virtuelle Welt, die nur aus Information besteht. Zwischen diesen beiden Welten kann man sich hin und her bewegen.

Wo kann ein normaler Mensch heute schon Augmented Reality erleben?

Kittl: Es gibt da bereits konkrete Anwendungen im Automobilbereich. In die Windschutzscheibe werden zusätzliche Informationen eingeblendet, die den Fahrer unterstützen sollen. Ihren Ursprung hat diese Technologie im militärischen Bereich - insbesondere in Abfangjägern. Durch die hohe Durchdringung mit Smartphones wird diese Technologie allerdings bald in unser alltägliches Leben Eingang finden. Vor allem die Entwicklung von Google Glasses wird die Entwicklung vorantreiben - Ende des Jahres soll das Produkt ja für alle erhältlich sein. Etliche Gegenstände werden mit Informationen ausgestattet werden. Klar kann man diese vermutlich auch heute danke Suchmaschine finden - aber in Zukunft bekommt man die Infos ungefragt. Wer jetzt schon einen Einblick haben möchte, kann sich am Smartphone Wikitude oder Layer installieren - Augmented-Reality-Browser. Hier bekommt man über die Kamera des Handys Zusatzinfos über Öffnungszeiten von Museen und Ähliches.

Welche Unternehmen wenden solche Systeme jetzt schon an?

Kittl: Vor allem im medizinischen Bereich wird diese Technologie schon verwendet. Der Operateur sieht genau, wo er den Schnitt setzen muss. Auch in der Architektur werden Objekte visualisiert, bevor sie wirklich physisch zu sehen sind. Im Logistikbereich ist die Firma Knapp einer der Top-Player in diesem Bereich. Service-Techniker bekommen über eine Art Brille eingeblendet, wo sich defekte Teile befinden, und erkennen so genau, wo sie hingreifen müssen. Bei der Arbeit haben sie dann beiden Hände frei. Auch im Lager werden solche Displays verwendet. Ein Lagerarbeiter wird von dem System wie von einem Navi geleitet. Sobald man vor dem richtigen Regal ist, sieht der Mitarbeiter, wo das richtige Teil ist und kann gleich den Barcode einscannen. Damit werden die Teile viel schneller gefunden. (VW-Youtube-Thyo)

Was war die erste echte Augmented Reality Anwendung?

Kittl: Das war sicher im militärischen Bereich - Anwendungen für Piloten und Bodentruppen. Das ist ähnlich, wie man es von Filmen wie Terminator kennt. Im Gesichtsfeld werden Zusatzinfos eingeblendet. Hier sind auch die meisten Gelder hineingeflossen. Die Technologie findet dann auch den Weg in die Privatwirtschaft. Knapp Logistik verwendet Brillen, die für das israelische Militär entwickelt wurden.

Werden die Mitarbeiter über die Systeme auch überacht?

Kittl: Das ist natürlich schon ein Thema. Hier müssen sich die Unternehmen mit den Mitarbeitern verständigen. Noch mehr gilt das, wenn Produkte wie Google Glasses stärker verbreitet werden. Denn jeder könnte seine Mitmenschen jederzeit filmen. Hier stellen sich auch einige Herausforderungen für die Gesetzgeber - hier geht es um das Recht am eigenen Bild, Prüfungssituationen, Markenrechte und vieles mehr. Google Glasses wird viele Branchen radikal verändern.

Zurück zu Ingress. In der Community ist man sich einig, dass Google das Spiel entwickelt hat, um Daten zu sammeln. Was würden sie mit diesen Daten machen?

Kittl: Für Marketing ist das eine Goldgrube. Die Nutzer geben ständig bekannt, wo sie sind. Durch die Position von Portalen kann man sie an einen bestimmten Ort locken. Wenn ich dort wertvolle virtuelle Gegenstände ablege, bringe ich in kurzer Zeit eine große Anzahl von Personen zu diesem Platz. Durch die beiden Fraktionen habe ich eine gewisse Segmentierung. Die Entscheidungen, die man im Spiel trifft, lassen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu - diese Infos sind im Marketing sehr viel wert. Es gibt hier unglaubliche ökonomische Potenziale.

Google geht es also um Werbung?

Kittl: Googles Hauptgeschäft ist und bleibt Werbung. Auch wenn sie jetzt auch Hardware verkaufen, verdienen sie den Großteil des Geldes mit Werbung. Google bekommt außerdem Daten, die viele Geheimdienste dieser Welt besonders spannend finden werden - vor allem die Bewegungsprofile. Wenn man weiß, wer wann an welchem Ort war und das mit gewissen Ereignissen verknüpfe, kann man sehr schnell darauf schließen, ob die Person mit diesem Ereignis etwas zu tun hat. Das ist natürlich viel Aufwand. Aber die amerikanische NSA baut genau für solche großen Datenanalysen ein neues Rechenzentrum.

Ein bisschen 1984, oder?

Kittl: Ja, allerdings. Aber nicht nur wegen der Überwachung. Mit China gibt es neben den USA wieder eine zweite Supermacht. Auch Cyberwar ist heute alltäglich und Angriffe geschehen wesentlich häufiger, als es an die Öffentlichkeit dringt. Gerade jüngst hat sich die USA über Angriffe aus China beschwert. Hier will die USA vermutlich China als das “böse Land” abstempeln. Denn es gibt sicher genauso viele Angriffe der USA auf China und bei Industriespionage sind auch beide Länder gleich stark involviert.