Jesus ging über das Wasser, Jesus speiste die 5000, Jesus heilte die Kranken. All diese Geschichten und mehr kennen die meisten Österreicher aus dem Religionsunterricht und vom Kirchenbesuch. Für viele sind das aber nur Geschichten, doch bei einem Besuch im Heiligen Land werden all diese Orte und Begebenheiten plötzlich real, werden mit Leben erfüllt.

„Kommt man hierher, hat dieser Mythos plötzlich eine Geografie, er hat Steine, Münzen, Knochen. Er ist spürbar und sichtbar“, sagt Eamon Kelly. Der irische Priester arbeitet in Magdala. Einem Ort, der den meisten Menschen nur als Heimatort von Maria Magdalena bekannt ist.

Vor wenigen Jahren stieß man hier auf Mauern aus dem ersten Jahrhundert nach Christus – und zwar nicht auf irgendwelche Mauern. „Es handelt sich um die älteste Synagoge, die man jemals ausgegraben hat“, so Kelly. Außerdem: „Jesus hat mit hoher Sicherheit in dieser Synagoge gelehrt“, sagt Kelly, daher verstehe man sich in Magdala als „Kreuzung zwischen Judentum und Christentum“. Die damalige Stadt am See Genezareth lag auf direktem Weg von Nazareth nach Kafarnaum, die Hauptwirkstätte Jesu. „Da müsste man sich akademisch schon sehr verbiegen, wenn man behaupten möchte, Jesus wäre nicht hier gewesen“, so Kelly weiter, während im Hintergrund die Baumaschinen laufen.

Besucherzentrum für Pilger

Denn direkt bei den Ausgrabungen wird ein Besucherzentrum samt Pilgerunterkunft errichtet. Schon fertig und von Papst Franziskus persönlich eingeweiht ist die Kirche „Duc In Altum“. Sie steht direkt am antiken Hafen. Anstelle eines Altars findet man die Nachbildung eines alten Fischerbootes.

Modell dafür dürfte ein Boot gestanden sein, das nur unweit im Kibbuz Ginnossar zu besichtigen ist. Dieses stammt tatsächlich aus der Zeit von Jesus Christus und ist deshalb auch als „Jesus-Boot“ berühmt geworden. Nachdem man es im Schlamm des See Genezareth entdeckt hatte, wurde es aufwendig restauriert und konserviert. Dass Jesus oder einer seiner Jünger tatsächlich mit diesem Boot gefahren ist, gilt als unwahrscheinlich.

Heimat der Apostel

Aber gerade einmal acht Kilometer weiter nördlich besuchen wir Kafarnaum, den Wohnort von Petrus sowie weiterer Apostel. Eine moderne Kirche steht auf Stelzen über den Überresten eines Gebäudes, das als das Haus Petrus bekannt ist. Aber nicht nur dieses zieht die Pilgerströme an, auch die antike Synagoge ist ein Besuchermagnet. Sie gilt als – beinahe monumentaler – Prototyp einer Synagoge nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 nach Christus.

Auf dem Weg dorthin lassen sich zahlreiche Pilger im Jordan an einer der vermeintlichen Taufstellen Jesu taufen – gekleidet in weiße Roben, die man zuvor in einem der dortigen Souvenirläden erstanden hat.

Über den Ölberg in die heilige Stadt

Der Höhepunkt einer christlichen Pilgerfahrt durch das Heilige Land ist natürlich Jerusalem. Von Osten über den Ölberg kommend, liegt einem die Stadt zu Füßen. Das Zentrum dreier Weltreligionen wird vom Tempelberg samt Felsendom und Al-Aksa-Moschee dominiert. Begrenzt wird die Altstadt von der mächtigen Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert.

Betritt man die Stadt durch das Löwentor, kommt man auf direktem Weg zum Beginn der Via dolorosa, über die nach christlicher Tradition der Weg Christi von der Verurteilung bis zur Kreuzigung („Kreuzweg“) verlief. Jedes Jahr am Karfreitag schleppen Gläubige aus aller Welt große Holzkreuze durch die Gassen der Altstadt, um so annähernd die Leiden Christi auch am eigenen Leib zu erspüren. Es geht betend durch die engen Gassen Jerusalems vorbei an unzähligen Souvenirläden bis hinauf zur Kreuzigungsstätte, die in der Grabeskirche selbst liegt. „Vor der Kirche lassen sie die Kreuze stehen und arabische Jugendliche bringen diese wieder an den Beginn der Via dolorosa“, erzählt Fremdenführer Amos Baron. Dann können die Nächsten ihren Kreuzweg angehen.

Drängerei in der Kirche

Die Grabeskirche selbst ist eine Mixtur an Kirchen und Kapellen unter einem Dach. Sechs christliche Konfessionen (römisch-katholisch, griechisch-orthodox, armenisch-apostolisch, syrisch-orthodox, äthiopisch-orthodox, koptisch) teilen sich das Areal – nicht immer ganz konfliktfrei. Besucher, die Drängereien in der heiligsten Stätte der Christenheit vermeiden möchten, sollten in aller Früh kommen. Die Kirche öffnet um 5 Uhr ihre Pforten.