Laut der Weltgesundheitsorganisation ist es die häufigste Erkrankung weltweit – und auch eines der größten Tabus: Inkontinenz. Der ungewollte Verlust von Harn oder Stuhl kann Menschen jedes Alters treffen – in Österreich gibt es eine Million Betroffene, doch kaum jemand spricht darüber. Auf diesen alarmierenden Zustand wies die medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) hin. „Nur rund ein Drittel der Betroffenen sucht nach Hilfe“, sagt Lothar Fuith, Präsident der Gesellschaft. Das kann zu einer Negativspirale führen: Aus Scham ziehen sich Betroffene aus dem Sozialleben zurück, verlassen das Haus kaum noch und schlittern so in die soziale Isolation. „Inkontinenz ist auch ein häufiger Grund für eine Heimeinweisung im Alter“, sagt Fuith.

Ab 80 jeder Dritte betroffen

Der größte Risikofaktor für Inkontinenz ist das Alter: Die Schließmuskulatur, die den Harn in der Blase und den Stuhl im Darm halten soll, wird kontinuierlich schwächer. Ab dem 80. Lebensjahr ist bereits jeder Dritte von Inkontinenz betroffen. Eine Umfrage in dieser Altersgruppe im Rahmen der Hochaltrigen Studie hat gezeigt, wie groß der Leidensdruck ist: „Betroffene scheuen sich davor, mit ihrem Arzt über das Thema zu sprechen und bekommen daher auch nicht die notwendigen Hilfsmittel“, sagt Forscher Georg Ruppe.

Physiotherapie hilft

Doch nicht nur alte Menschen sind betroffen: Auch Kinder und Schwangere können an Inkontinenz leiden. Und Geburten sind bei Frauen ein großer Faktor, der die Schließmuskulatur schädigen kann. Die zentrale Botschaft der Experten: Es gibt Hilfe. Zunächst könne mit spezieller Physiotherapie die Beckenbodenmuskulatur gestärkt werden. Auch Änderungen des Lebensstils, wie Gewichtsverlust und Rauchstopp seien Maßnahmen gegen die Inkontinenz.

Auch Medikamente sind verfügbar. „Wenn diese Maßnahmen ausgeschöpft sind, gibt es auch noch die Möglichkeit einer Operation“, sagt Fuith.