Die Zahl der Klagen soll bereits auf 14.000 angestiegen sein: Der Pharmakonzern Bayer sieht sich in den USA mit einer Klagewelle konfrontiert. Der Auslöser: Xarelto, ein Medikament zur "Blutverdünnung" und Gerinnungshemmung. Zwischen Jänner und Oktober stieg die Zahl der Klagen von Anwendern von rund 4.300 auf 13.800. Inzwischen sei sogar die Schwelle von 14.000 Patientenklagen überschritten worden, berichtete das "Handelsblatt".

Schäden und Todesfälle

Xarelto hat Bayer zuletzt Milliardenumsätze beschert - nun scheint sich das Blatt zu wenden. Die Kläger machen das Medikament, das Blutgerinnseln vorbeugen soll, nun aber für Gesundheitsschäden und sogar Todesfälle verantwortlich. Bayer weist die Vorwürfe zurück. Eine Firmensprecherin verwies darauf, dass die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA und die europäische Zulassungsbehörde EMA das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des Medikaments bestätigten. Das Unternehmen habe gute Argumente, sich zu verteidigen.

Doch was sind die Risiken dieses Medikaments, das von vielen Menschen eingenommen wird, um Schlaganfällen und Gefäßverschlüssen vorzubeugen? Herbert Ederer, Hausarzt und Kolumnist der Kleinen Zeitung, beantwortete eine Anfrage einer Leserin vor einiger Zeit zu Risiko und Nutzen so:

Herr Dr. Ederer, bitte klären Sie mich über die Möglichkeiten der Blutverdünnung auf! Meine Mutter (78) soll ein solches Präparat bekommen, der Hausarzt hat uns über Xarelto und Marcoumar aufgeklärt, aber ich weiß nicht, was besser ist. Welche Vor- und Nachteile haben diese Mittel?

Herbert Ederer, Hausarzt
Herbert Ederer, Hausarzt © (c) kk

Bei Erkrankungen, die mit einer Thrombose einhergingen oder zu einer erhöhten Neigung zu Thrombosen führen, ist die Einnahme eines blutverdünnenden Medikaments sinnvoll. Dadurch wird einer (erneuten) Bildung eines Blutgerinnsels in Venen oder Schlagadern vorgebeugt.

Für diese Blutverdünnung standen bis vor einiger Zeit nur Heparin (als Spritzen), ASS (Aspirin®) und sogenannte Vitamin-K-Antagonisten (kurz VKA), wie Marcoumar® und Sintrom® zur Verfügung. Diese Mittel führen jedoch dazu, dass das Risiko für Blutungen im Magen-Darm-Trakt (v. a. ASS) und Gehirn (v. a. VKA) ansteigt.

Weniger Hirnblutungen

Nun stehen neuere Substanzen (sogenannte DOAKs) wie das angesprochene Xarelto® zur Verfügung, die in ihrer Wirksamkeit den VKAs ebenbürtig sind, aber eine deutlich geringere Rate an Hirnblutungen aufweisen. Ausgenommen davon sind Herzklappen-Patienten, die weiterhin mit Marcoumar® oder Sintrom® behandelt werden müssen.

Für die Patienten angenehm ist auch, dass eine Gerinnungskontrolle nicht notwendig ist, was wiederum eine genaue tägliche Einnahme - im Fall von Xarelto unbedingt mit der Mahlzeit - erfordert. Als Nachteil hat sich - neben den viel höheren Kosten - ein höheres Risiko für Blutungen im Magen-Darm-Bereich gezeigt, die aber extrem selten zu schwersten, nicht zu stoppenden Blutungen führen.

Für das DOAK-Medikament Pradax® gibt es seit heuer auch ein direktes Gegenmittel, das im Falle einer schweren Blutung eingesetzt werden kann. Es ist in nächster Zeit zu erwarten, dass auch für die anderen DOAKs (z. B. Eliquis®) ein solches Gegenmittel erhältlich sein wird, mit dem die normale Gerinnungsaktivität rasch wieder hergestellt werden kann.