Was sind die besten Trainings­ Methoden, um sich geistig fit zu halten?
Dr. Christian Enzinger: Die beste Trainingsmethode gibt es neurowissenschaftlich begründet nicht. Das Gehirn ist kein isoliert trainierbarer Muskel. Beim komplexen Training bilden sich Synapsen neu aus und verstärken sich. Beispiele dafür wären das Lernen eines neuen Musikinstrumentes, die Auseinandersetzung mit einer neuen Technik, Gehirnjogging oder koordinatives Training.

Es gibt Studien, die beweisen, dass man die Geschwindigkeit des Arbeitsgedächtnisses steigern kann, wenn man täglich Übungen absolviert, bei denen man sich etwa eine Reihe von Zahlen merken muss und anschließend genau auf diese Reihenfolge reagiert. Ob man diesen Prozess auf andere Funktionen ummünzen kann, ist fraglich, da in
unserem Alltag die Aufgaben ja viel komplexer sind.

Inwieweit helfen Gehirntrai­nings wie Sudokus und die Ange­bote von Websites wirklich?
Nicht alles davon hilft, da nicht alles wissenschaftlich getestet ist. Es gibt auch ein unterschiedliches Ansprechen der Gehirne.

Wie lässt sich die Wirkungswei­se von Gehirn-­Training erklären?
Das Gehirn funktioniert nach dem Prinzip „Fire together, wire together“. Alles, was zusammenarbeitet, also neuronal aktiv ist, verbindet sich auf Dauer. Wenn wir daher etwas sehr lange sehr gut machen, verfestigt sich das Können. Ein Beispiel dafür wäre räumliches Denken.

Auch soziale Interaktion ist wichtig, um lange geistig fit zu bleiben
Auch soziale Interaktion ist wichtig, um lange geistig fit zu bleiben © GAJUS

Ab welchem Alter wird Gehirn­ training ratsam?
Prinzipiell ab jedem Alter. Es ist nie zu spät und genauso nie zu früh. Man weiß, dass das Gehirn zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr ganz wesentlichen Reifungsprozessen unterliegt. Je älter wir werden, desto größer wird unser Vokabelwissen, desto besser abstraktes Denken und Problemlösungsverhalten.

Gibt es einfache Übungen für den Alltag, ohne technische Hilfsmittel?
Man kann zunächst auf alle möglichen Handyapps verzichten, zum Beispiel auf solche zur Navigation und stattdessen versuchen, einen Stadtplan zu lesen und sich eine Route einzuprägen.

Auch Memorytechniken sind eine gute Möglichkeit – man kann sich Namen merken, indem man um sie Geschichten baut. Eine weitere Methode besteht zum Beispiel darin, wenn man Rechtshänder ist, die linke Hand zu benutzen. Besonders wichtig sind neue Hobbys und auch sich mit neuen Techniken auseinanderzusetzen. Das ist eine wichtige Botschaft an alle Älteren.

Inwieweit ist Ernährung ein Faktor?
Ernährung spielt eine riesige Rolle und wurde lange unterschätzt. Man nimmt ja an, wenn man viel isst, sollte das Gehirn alle Nährstoffe haben, die es braucht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Gerade wenn man an Dickleibigkeit leidet, kommt es zu Risikofaktoren wie etwa erhöhte Blutwerte. Je höher der Blutzuckerspiegel, desto stärker ist die Volumsabnahme des Gehirns und desto schlechter ist die Gedächtnisfunktion. Mediterrane Diät, Konsumieren von B-Vitaminen und keine einseitige Ernährung sind zum Beispiel förderlich. Doch auch ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und Bewegung sind wichtig – je besser das Herz-Kreislauf-System funktioniert, desto besser funktioniert das Gehirn.

Inwieweit stimmt der Mythos, dass man durch Gehirntraining schlauer wird?
In frühen Prägungsphasen kann man schon viel erreichen. Es gibt ein Zwei-Komponenten-Modell, dieses beinhaltet fluide und kristalline Intelligenz. Die fluide Intelligenz beinhaltet die Fähigkeit des Problemlösens und des abstrakten Denkens. Das kann man etwa durch Geduldspiele trainieren.

Man sieht hier auch schnelle Resultate. Die kristalline Intelligenz hängt eher mit unseren Lebenserfahrungen zusammen und ist relativ stabil. Man kann also schon seine Intelligenz verbessern, ob man dadurch schlauer wird, ist die Frage, weil dies mit der kristallinen Intelligenz zusammenhängt.