Zunächst gilt es, die Grundlagen zu erklären: Auch wenn es so heißt, ist Vitamin D kein Vitamin. Viel mehr ist es die Vorstufe eines Hormons, das in unserem Körper gebildet wird. Für diesen Prozess braucht es die Sonne: Trifft sie auf unsere Haut, bildet unser Körper das aktive Vitamin D. „Daher nenne ich es das Sonnenhormon“, sagt Sabine Matschnig von der Abteilung für Endokrinologie am Klinikum Klagenfurt.

Die vielfältigen Wirkungen, die Vitamin D auf unseren Körper hat, werden gerade erforscht. Schon lange bekannt ist die Rolle, die der Stoff für den Knochenstoffwechsel hat. Ohne Vitamin D kann der wichtige Knochenbaustein Kalzium nicht aufgenommen werden - ein schwerer Vitamin-D-Mangel kann daher zu Rachitis bei Kindern und zur Osteoporose im Erwachsenenalter führen. Daher ist Vitamin D auch ein wichtiger Faktor in der Osteoporose-Therapie.

Funktion fürs Immunsystem

Das ist aber nur eine Wirkung des vermeintlichen Vitamins: Es hat sich gezeigt, dass Vitamin D auch eine wichtige Funktion für das Immunsystem hat. „Hat man einen schweren Vitamin-D-Mangel, arbeitet das Immunsystem nicht optimal“, fasst Karin Amrein, Endokrinologin am LKH-Uniklinikum Graz zusammen.

Eine große Metaanalyse habe zum Beispiel gezeigt, dass man durch die Gabe von Vitamin D die Häufigkeit von akuten Atemwegsinfekten - das Spektrum reicht von Schnupfen bis zur Lungenentzündung - verringern kann. „Vitamin D ist kein Allheilmittel“, schränkt Amrein ein. Und: Besteht kein Mangel an Vitamin D, wird das Immunsystem durch die zusätzliche Einnahme auch nicht besser arbeiten.

Karin Amrein
Karin Amrein © kk

Zahlt es sich aber überhaupt aus, seinen Vitamin-D-Spiegel bestimmen zu lassen? „Die Kosten für den Test sind höher als jene für ein oder zwei Jahre Vitamin-D-Einnahme“, sagt Amrein. Denn: Die Kosten für den Bluttest muss man in den meisten Fällen selbst zahlen, Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel bekommt man sehr billig - aber auch sehr teuer - in der Apotheke.

Die Preisspanne für Vitamin D in Tropfen-, Kapsel- oder anderer Form reiche von wenigen Euro für ein Jahr Behandlung bis zu zweistelligen Eurobeträgen pro Monat.

Mangel im Pflegeheim

Bei bestimmten Patientengruppen sei der Test jedenfalls überflüssig, sagt Amrein, da die Wahrscheinlichkeit für einen Mangel so hoch ist. Bei Pflegeheimbewohnern wisse man, dass zwei Drittel einen Mangel haben. „Ältere Menschen sind ohnehin häufiger von einem Mangel betroffen“, sagt Matschnig. Durch die ältere Haut funktioniere der Aufbau im Körper nicht mehr ausreichend. Ältere Menschen sollten daher jedenfalls Vitamin D einnehmen.

Sabine Matschnig
Sabine Matschnig © (c) Rosin Karin

Bei Jüngeren ist es eine Frage des Lebensstils - und der Jahreszeit. Laut Matschnig ist die Sonne in Österreich nur von April bis Oktober ausreichend stark, um genug Vitamin D im Körper zu produzieren. Außerdem verbringen viele Menschen den Großteil des Tages in geschlossenen Räumen. „Vor allem in den Wintermonaten ist das Risiko für einen Mangel daher sehr groß“, sagt Matschnig.

Ernährung hilft nicht

Auch die für Österreich typische Ernährung schafft kaum Abhilfe: Laut Amrein nehmen wir damit nur 100 Einheiten Vitamin D auf - nötig sind aber 600 bis 800 Einheiten pro Tag. Vor allem fetter Seefisch ist ein guter Lieferant von Vitamin D.

Die Expertinnen würden nicht so weit gehen, allen Menschen eine zusätzliche Einnahme Vitamin D zu empfehlen - obwohl es Bestrebungen in der EU gibt, den Stoff bestimmten Lebensmitteln zuzusetzen, so wie Jod dem Salz zugesetzt wird. Zuerst sollte man versuchen, mehr Zeit im Freien und damit in der Sonne zu verbringen - am besten, indem man draußen Bewegung macht.

Die Gefahr einer Überdosis bei der zusätzlichen Einnahme sei jedenfalls sehr gering - nur wenn eine Hyperkalzämie, also ein zu hoher Kalziumwert im Blut vorliegt, rät Matschnig zur Vorsicht. Im Zweifelsfall sollte mit dem Hausarzt geklärt werden, ob sich die Einnahme auszahlt.