Die Ärzte sehen die Entwicklung des Gesundheitssystems kritischer als die Bevölkerung. Auch die Sozialversicherungen und die geplanten Primärversorgungszentren beurteilen die Mediziner deutlich negativer. Das geht aus einer Umfrage der Public Opinion Strategies von Peter Hajek im Auftrag der Wiener Ärztekammer hervor. Kammer-Vizepräsident Johannes Steinhart fühlt sich durch die Umfrage bestätigt.

Nach diesem sogenannten "Gesundheitsbarometer" geht das österreichische Gesundheitssystem für 83 Prozent der Wiener Ärzte in die falsche Richtung. In der Bevölkerung sehen das nur 40 Prozent so negativ, 51 Prozent glauben hingegen, dass das Gesundheitssystem in die richtige Richtung geht. Unter den Wiener Ärzten glauben das hingegen nur vier Prozent.

Regierung schuld?

Weitgehend einig sind sich Ärzte und Patienten hingegen bei der Suche nach Schuldigen. Jeweils rund 80 Prozent mach die Bundesregierung bzw. das Gesundheitsministerium für negative Entwicklungen verantwortlich. Landesregierung und Krankenkassen werden von Wiener Ärzten (85 bzw. 82 Prozent) etwas stärker verantwortlich gemacht als von der Bevölkerung (66 bzw. 68 Prozent). Erstaunlicherweise sehen 39 Prozent der Wiener Ärzte die Schuld für Negativenwicklungen auch bei der Ärztekammer, unter der Bevölkerung sind es 47 Prozent.

Die 21 Sozialversicherungsträger halten 84 Prozent der Wiener Ärzte für nicht sinnvoll (24 Prozent weniger, 60 Prozent gar nicht). In der österreichischen Bevölkerung sind es hingegen nur insgesamt 67 Prozent. Der von der Ärztekammer infrage gestellte Hauptverband kommt auch bei den Mediziner nicht gut weg. Zwei Drittel der Wiener Ärzte beurteilen den Dachverband negativ (42 Prozent weniger, 23 Prozent gar nicht gut).

Die von der Ärztekammer entschieden bekämpften Primärversorgungszentren (PHC) werden von den Medizinern zu zwei Drittel abgelehnt, von der Bevölkerung hingegen befürwortet. 32 Prozent der Wiener Ärzte bewerten die PHC-Zentren sehr und weitere 35 Prozent eher negativ. In der Bevölkerung sind das insgesamt nur 17 Prozent. Immerhin 29 Prozent der Wiener Ärzte sehen die PHC-Zentren positiv (24 Prozent eher, fünf Prozent sehr positiv). In der österreichischen Bevölkerung finden fast drei Viertel (insgesamt 72 Prozent) die Zentren positiv.

Die Wiener Ärztekammer kann sich in dieser Frage auf den Rückhalt ihrer Mitglieder verlassen. 72 Prozent der Wiener Ärzte finden es sehr gut, dass ihre Kammer gegen den PHC-Gesetzesentwurf auftritt, weitere 15 Prozent eher gut. Nur zehn Prozent halten das nicht für gut. Einsparungsmöglichkeiten sehen die Wiener Ärzte vor allem bei der Verwaltung der Sozialversicherungsträger (88 Prozent), weniger bei den Ausgaben für Medikamente (53 Prozent) und noch weniger bei medizinischen Leistungen (17 Prozent).

Wartezeiten unzumutbar

Die größte Unzufriedenheit in der Bevölkerung herrscht bezüglich der Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt. Damit sind 51 Prozent der Österreicher unzufrieden. Mit den Öffnungszeiten beim Facharzt sind hingegen nur 15 Prozent und mit jenen beim praktischen Arzt nur neun Prozent unzufrieden. Mit den Wartezeiten beim praktischen Arzt sind ein Viertel (26 Prozent), mit jenen beim Facharzt ein Drittel nicht zufrieden.

Befragt wurden von Public Opinion Strategies telefonisch und online 323 Wiener Ärzte von 16. bis 27. Februar und 1.005 Österreicher von 6. bis 10. März im Auftrag der Wiener Ärztekammer.

Kammer-Vizepräsident Steinhart sieht in dem Befund, dass das Gesundheitssystem für 83 Prozent der Wiener Ärzte in die falsche Richtung geht, "alarmierende Zahlen und ein eindeutiges Signal Richtung Gesundheitspolitik". Er konstatierte eine zunehmende Verschlechterung des Zustands des Gesundheitssystems und machte den seit Jahren anhaltende Sparzwang dafür verantwortlich. Steinhart betonte in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass auch die Bevölkerung des Hausarzt schätze und ihr die Sozialversicherungen weniger wichtig seien. Auch in seiner Kritik an den geplanten Primärversorgungszentren fühlt sich der Wiener Kammerpräsident durch die Umfrage bestätigt. Der Politik sei es bisher trotz aller Bemühungen nicht gelungen, der Bevölkerung ihr PHC-Konzept schmackhaft zu machen, interpretierte Steinhart die Ergebnisse der Umfrage.