1. Was kann Cannabis als Medizin bewirken?

Cannabis war nicht nur im alten China als Heilpflanze in Verwendung – auch in der mittelalterlichen europäischen Volksmedizin wurde Cannabis verwendet. Die Entwicklung chemischer Medikamente verdrängte das pflanzliche Heilmittel. Heute werden Cannabis-Präparate meist als Mittel der letzten Wahl eingesetzt – also dann, wenn andere Medikamente nicht mehr wirken. Häufige Anwendungsbereiche sind: Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien, Appetitlosigkeit und Schmerzen bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, chronische Schmerzen, Muskelspasmen bei multipler Sklerose oder Parkinson, rheumatische Erkrankungen, Tourettesyndrom und Depressionen.

2. Wie wirkt Cannabis im Körper?

Der menschliche Körper besitzt ein eigenes Cannabinoid-System mit Rezeptoren für diese Wirkstoffe. Die Rezeptoren sind im ganzen Körper vorhanden – im Nervensystem, in den Muskeln, im Fettgewebe. Der bekannteste Stoff THC ist für die berauschende Wirkung verantwortlich. Ein weiterer Inhaltsstoff, das Cannabidiol (CBD), löst keine Rauschzustände aus. Die Stoffe wirken appetitanregend, entzündungshemmend, angstlösend, beruhigend, schmerzlindernd, unterdrücken Brechreiz und entspannen Muskeln.

3. Wie ist die rechtliche Situation in Österreich?

In Österreich dürfen synthetische Cannabis-Präparate und seit 2016 auch gereinigtes, natürliches THC verschrieben werden. Dazu werden die beiden Hauptwirkstoffe THC und CBD aus der Pflanze extrahiert und als Medikamente verkauft. Der Anbau von medizinischem Cannabis ist in Österreich nur der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) gestattet. Diese bringt Cannabis-Pflanzen zum Blühen und übergibt diese dann an eine Pharmafirma zur Weiterproduktion. Da Cannabis als Suchtmittel gilt, sind Erwerb, Anbau und Besitz illegal. Patienten, die Cannabis für medizinische Zwecke anbauen, machen sich strafbar.

Kurt Blaas, Cannabis-Arzt
Kurt Blaas, Cannabis-Arzt © Christandl

4. Wer kann Cannabis-Präparate verschreiben?

„Jeder Arzt kann das“, sagt Cannabisarzt Kurt Blaas – über ein Suchtmittelrezept. Damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt, braucht es eine Chefarzt-Bewilligung. Laut Blaas bekommen etwa 40 Prozent der Patienten die Kosten erstattet, der Rest muss die Medikamente selbst bezahlen – es entstehen Kosten von mehreren hundert Euro pro Monat. Das führt zu einem gefährlichen Trend: Immer mehr Patienten bauen die Pflanzen selbst an.

5. Der Trend zum „self growing“: Warum kann das gefährlich sein?

Blaas berichtet, dass Patienten immer öfter mit selbst gezogenen Pflanzen oder Produkten aus dem Internet zu ihm kommen. „Bei diesen Präparaten weiß man nie, was drinnen ist“, warnt Blaas. Auch bei selbst angebautem Cannabis gebe es keine Kontrolle des Wirkstoff-Gehalts - und Patienten machen sich strafbar. „Wenn Menschen diese Therapie wollen und sie wirkt, muss man sicherstellen, dass man ihnen mit medizinischen Produkten helfen kann“, sagt Blaas.

6. Woran kann die Finanzierung über die Krankenkassen scheitern?

Damit Krankenkassen für ein Medikament bezahlen, muss die Wirkung bewiesen sein – für Cannabis gibt es trotz guter Erfahrungen nur für wenige Anwendungsbereiche wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit belegen. Es brauche laut Blaas mehr Forschung – oder eine gesetzliche Grundlage wie in Deutschland.

7. Wie groß ist das Missbrauchspotenzial von Cannabis?

Hier sind die USA ein abschreckendes Beispiel: Dort sind Ärzte zu „medizinischen Dealern“ geworden, die Cannabis verschreiben, damit Patienten sich besser fühlen. Daher fordern Mediziner hierzulande klare Richtlinien, bei welchen Beschwerden Cannabis eingesetzt werden kann. Blaas sieht diese Gefahr auch und schützt sich, indem er nur Diagnosen behandelt, die bereits von anderen Fachärzten gestellt wurden. „Diese Diagnosen bestätigen, dass die Patienten austherapiert sind oder keine anderen Mittel geholfen haben“, sagt Blaas.