Sein Kreuzband war bereits zum zweiten Mal gerissen. Um wieder Sport ausüben zu können, hätte sich Michael T. einer ersten Operation unterziehen müssen. In deren Rahmen wäre zunächst der Knochen aufgebaut worden, damit man überhaupt ein neues Band hätte befestigen können. Dann hätte Michael T. sechs Monate warten müssen, bis der Knochen gut eingewachsen ist. Und schließlich wäre er ein zweites Mal operiert worden, um ein neues Kreuzband einzusetzen. Diese Prozedur blieb Michael T. aber erspart – durch eine neue Methode: Er ließ sich eine Spendersehne einsetzen – und ist heute, zwei Wochen später, nahezu schmerzfrei.

Nur eine statt zwei Operationen

„Der große Vorteil dieser Methode ist, dass statt der zwei Operationen und der sechsmonatigen Wartezeit nur eine Operation notwendig ist“, sagt Gerald Gruber, Leiter der Sektion Sportorthopädie am LKH-Uniklinikum Graz. Außerdem muss keine Sehne aus dem gesunden Knie entnommen werden – zum Einsatz kommt eine Spendersehne.

„Ja, das funktioniert wie bei einer Organspende“, sagt Gruber. Die Sehnen, die in Graz zum Einsatz kommen, stammen aus einer sogenannten Sehnenbank in den USA. Dort werden die Sehnen Verstorbener aufbereitet und bei Temperaturen um minus 80 Grad aufbewahrt – bis sie gebraucht werden. Da der Eingriff sehr teuer ist, wird diese neue Methode nur bei einer bestimmten Patientengruppe angewendet.

Spendersehne mit Knochen
Spendersehne mit Knochen © kk

Sehne mit Knochenblock

„Diese Technik wenden wir bei Patienten an, die schon mehrfach am Kreuzband operiert wurden und daher auch keine verfügbaren Sehnen am betroffenen Knie mehr haben“, sagt Gruber. Bei herkömmlichen Operationen wird das Kreuzband aus zwei Sehnen aus dem Unterschenkel rekonstruiert. Bei Herrn T. hätte man Sehnen aus dem gesunden Bein entnehmen müssen – das konnte dem 29-jährigen Sportler erspart werden. „Am liebsten würde ich die Krücken schon ganz weglassen“, ist dieser vom Ergebnis überzeugt.

Bei T. wurde eine gespendete Achilles-Sehne als Ersatz für das Kreuzband verwendet – welche Art der Spendersehne eingesetzt wird, hänge aber von der Verletzung ab. „Wichtig ist, dass Sehnen mit einem Knochenblock verwendet werden, um größere Löcher im Knochen zu verschließen“, sagt Gruber.

Keine Abstoßung

Diese Methode ist zwar in Österreich neu – in den USA werde sie laut Gruber aber schon seit mehr als zehn Jahren eingesetzt. „Daher wissen wir auch, dass es zu keinen Abstoßungsreaktionen kommt“, sagt Gruber. Die Spendersehnen werden dementsprechend aufbereitet und es wird sichergestellt, dass keine Krankheitserreger „mitgespendet“ werden. „Wir werden nun regelmäßig Patienten mit dieser Methode operieren“, sagt Sportorthopäde Gruber.
Sonja Saurugger