Nun ist es beschlossen: In Deutschland bekommen schwerkranke Patienten künftig auf Kassenkosten Cannabis als Medizin, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann. Mit der Neuregelung, die im März in Kraft tritt, wird es schwer erkrankten Patienten ermöglicht, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zu erhalten.

In Österreich ist das anders: Cannabis in "Pflanzenform" darf nicht als Medikament eingesetzt werden. Erlaubt sind nur synthetische Extrakte aus der Pflanze, also Medikamente mit den Inhaltsstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder Cannabidiol (CBD).

Ein Vorbild für Österreich?

Sollte sich das ändern? Dazu haben wir heimische Schmerzmediziner befragt.

Andreas Sandner-Kiesling
Andreas Sandner-Kiesling © Meduni Graz

"Ich heiße Cannabis gut, wenn es eine gute Begründung für die Verschreibung gibt und davor alle anderen möglichen Therapien ausgeschöpft wurden", sagt Andreas Sandner-Kiesling (MedUni Graz). Es brauche aber klare Richtlinien, bei welchen Patienten Cannabis eingesetzt wird. Sonst könne es dazu kommen, dass Ärzte in den Ruf geraten, "medizinische Dealer" zu sein, wie es in den USA passiert sei. Cannabis nur zu verschreiben, damit Patienten sich "gut fühlen", sei der falsche Weg - ein Medikament müsse immer ein bestimmtes Problem lösen.

Doch bei Cannabis gebe es "leider die große Tendenz, dass es falsch verwendet wird", sagt Sandner-Kiesling. Prinzipiell sei es aber ein guter Schritt, die ganze Pflanze zu verordnen: Mit synthetischem THC, wie es in Österreich verwendet wird, bekomme man nur einen Bruchteil davon, was die Pflanze kann, erklärt der Experte.

Rudolf Likar

Etwas anders sieht das der Kärntner Schmerzmediziner Rudolf Likar (Klinikum Klagenfurt): "Prinzipiell sollten die Inhaltsstoffe der Cannabis-Pflanze auf Rezept verfügbar sein, für Tumor- und Schmerzpatienten." Er ist aber für die Verabreichung in Form von standardisierten Medikamenten, denn: "Nur so kann man genau wissen und regulieren, wie viel Inhaltsstoffe enthalten sind", sagt Likar. Bei einer Pflanze könne man das nicht sagen und die Wirkung daher nicht so gut steuern. Außerdem sollte Cannabis kein Mittel der ersten Wahl sein, sondern dann zum Einsatz kommen, wenn andere Medikamente nicht mehr wirken oder nicht vertragen werden.

Hans-Georg Kress

Ähnlicher Meinung ist auch Hans-Georg Kress, Leiter der Abteilung für Anästhesie und Schmerztherapie (MedUni Wien): "Cannabinoide haben einen schmerzlindernden Effekt bei Menschen, die an Krebserkrankungen leiden. Doch wissenschaftlich belegt ist das nur mit pharmazeutisch hergestellten Cannabinoid-Medikamenten."

"Es macht deshalb keinen Sinn, Cannabis oder Marihuana für medizinische Zwecke einfach freizugeben. Hier fehlt der Nachweis der Überlegenheit gegenüber den in Studien getesteten Cannabinoiden. Und wir sollten in unserem Gesundheitswesen, das ja sonst auch auf die Kosten schaut, nur Medikamente verwenden und zahlen, für die eine Wirksamkeit gegeben ist", erklärte Kress.