Die statistische Ausnahme trägt eine blaue Bluse, zwei Zöpfchen in den blonden Haaren und ein strahlendes Lachen im Gesicht. Wenn sie mit den Fingern auf sich selbst zeigt, sagt sie „Atta“, ihre Eltern nennen sie Mia und sagen: „Sie ist ein echter Sonnenschein.“ Mia ist vier Jahre alt, eines ihrer liebsten Wörter ist „Nein“, denn Mia - wie andere Kinder in diesem Alter - will schon alles selbst machen. Und doch ist Mia anders: Sie hat Downsyndrom.

Es gibt Erhebungen, die besagen, dass Babys, bei denen vor der Geburt Downsyndrom festgestellt wird, zu 90 Prozent abgetrieben werden. Somit ist Mia die statistische Ausnahme. Maria Grossauer vom Verein Down-Syndrom Österreich glaubt diese Zahlen nicht, dafür kenne sie selbst zu viele Kinder, die in den letzten Jahren zur Welt gekommen sind. Tatsächliche Zahlen über Kinder mit Downsyndrom oder Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen gibt es in Österreich nicht.

Downsyndrom und Herzfehler

Das Kind bekommen oder die Schwangerschaft abbrechen? Diese Entscheidung thematisiert auch der Film „24 Wochen“: Eine Mutter ist dank Pränataldiagnostik mit der Diagnose Downsyndrom und schwerer Herzfehler konfrontiert. Dieselbe Diagnose hörten vor etwas mehr als vier Jahren Evi und Heinz Pichler, als sie ihr zweites Kind erwarteten.

„Mia war ein absolutes Wunschkind“, erzählen die Eltern und die Freude war groß, als sie im Bauch von Evi Pichler zu wachsen begann. Doch Mia war klein, auffällig klein, befand die Frauenärztin und empfahl der werdenden Mutter die Pränataldiagnostik. „Eigentlich wollte ich das gar nicht machen lassen“, sagt Pichler. Als sie zur Sicherheit doch hinging, hatte sie nie an Dinge wie genetische Anomalien gedacht.

Doch mit der Messung der Nackentransparenz stand das Wort Downsyndrom im Raum - statistisch gesehen. Denn mit der ersten Untersuchung lag die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind, das später Mia heißen sollte, das Downsyndrom hat, bei etwa 1:100, nach der folgenden Laboranalyse wuchs die Chance auf 50 Prozent. Vater Heinz sagte damals: „Das sind Statistiken, die müssen nicht stimmen.“

Endgültige Gewissheit brachte die Fruchtwasseruntersuchung (siehe unten). „Natürlich haben wir bis dahin gehofft, dass doch nichts ist“, sagt Mama Evi. Doch es war etwas: Das Chromosom 21 ist in Mias Körper drei Mal statt zwei Mal vorhanden: Trisomie 21.

Ausflug nach Leoben

Als die Diagnose feststand, fielen die werdenden Eltern nicht in ein Loch, sondern fuhren nach Leoben. „Ein Kind mit Downsyndrom konnten wir uns sofort vorstellen“, sagen die Eltern. „Aber was wird aus dem Kind, wenn es erwachsen ist?“ Im Down-Syndrom-Zentrum in Leoben trafen sie Jugendliche bei der Arbeit, wurden herzlich begrüßt und mit Geschichten überschüttet. „Danach waren wir richtig euphorisch“, erinnern sich die Eltern. Doch noch am selben Tag folgte der nächste, der eigentliche Schock: Das Organ-Screening zeigte, dass Mia einen schweren Herzfehler hat. „Das war das Schlimmste“, sagt Mama Evi.

Eine Entscheidungsfindung zwischen Kind und Schwangerschaftsabbruch? Gab es bei den Pichlers nicht wirklich. Vater Heinz hätte darüber nur nachgedacht, wenn das Kind so schwere Organschäden gehabt hätte, dass es nur von einer Operation zur nächsten gelebt hätte. Für Mama Evi gab es diese zwei Möglichkeiten nie. „Ich wusste, ich hätte mit einem Abbruch nicht weiterleben können.“ Sie konnte das Kind schon spüren, sie sah den Herzschlag am Monitor. „Das hätte ich nicht geschafft.“

Schwere Herzoperation

Als Mia zur Welt kam, waren die Eltern vorbereitet. Der Termin für die Herzoperation stand fest, die Frühförderstelle war schon kontaktiert. „So konnte ich mich einfach nur auf mein Kind freuen“, sagt Evi Pichler. Und doch waren die ersten Wochen mit Mia sehr anders, als die Eltern es von ihrem ersten Kind Elias kannten. „Wir mussten oft ins Krankenhaus, hatten keine Woche, in der wir durchgehend zu Hause waren.“ Kurz nachdem Mia angefangen hatte zu lachen, kam der Tag der schweren Herzoperation.

Die Eltern gaben ihr kleines Baby in der Früh ab, es verschwand für sieben Stunden im Operationssaal. „Da bricht einem das Herz“, sagt Mama Evi. Nach einer Woche Tiefschlaf kam Mia wieder nach Hause. „Heute kann sie alles machen“, sagen die Eltern mit Blick auf ihre Tochter, die gerade zum zehnten Mal die Leiter zur Rutsche hochklettert.

Was wird, wenn Mia groß ist?

Wenn Mia den weißen Ball haben will, formen ihre Hände eine Kugel, wenn Mia nach Hause gehen will, bilden ihre Finger ein kleines Dach, den großen Bruder ruft sie Eli. „Sprachlich ist Mia sehr verzögert“, sagt Mama Evi. Daher ist jedes Wort, das Mia sagt, ein Etappensieg. „Sie ist in der Entwicklung natürlich weit zurück“, sagt die Mama. „Aber das macht ja nix.“ Sorgen bereitet den Eltern nur die Zukunft: Was wird aus Mia, wenn sie nicht mehr für sie sorgen können? „Denn ganz allein wird es Mia nie schaffen.“

Was die Pichlers werdenden Eltern sagen würden, die mit der Diagnose Downsyndrom konfrontiert sind? „Ich verstehe, dass man Zweifel hat“, sagt Vater Heinz. Auch er habe sich davor nicht mit dem Thema beschäftigt. „Das Beste ist wohl, Kinder mit Downsyndrom kennenzulernen, um ein Bild davon zu bekommen, was Downsyndrom ist“, sagt Heinz Pichler. „Aber dass es funktionieren kann, sieht man ja.“