Eine Welt, die frei von Hepatitis B und C ist: Dieses hehre Ziel hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für das Jahr 2030 ausgerufen. Und theoretisch wäre das auch möglich: Hepatitis B wäre durch eine Impfung zu eliminieren, durch neuartige Medikamente kann Hepatitis C in 98 Prozent aller Fälle ausgeheilt werden.

Aktuell haben 30 Millionen Menschen in der europäischen Union eine chronische Lebererkrankung. Virushepatitis betrifft bereits mehr als 10 Millionen Menschen in der EU: „Diese Zahlen machen Leberkrankheiten zur fünfthäufigste Todesursache in Europa”, sagt Hepatologin Petra E. Munda von der MedUni Wien. Noch davor rangiert Alkohol als dritthäufigste vorzeitige Todesursache der EU, gefolgt von der Fettleber, Diabetes und Adipositas. „Die Lawine rollt!“, sagt Munda.

Hepatitis in Zahlen

Am heutigen Welt-Hepatitis-Tag fordern Experten daher: Mehr Aufmerksamkeit für einen stillen Killer.
Denn wussten, Sie dass . . .

  • Weltweit leidet einer von zwölf Menschen an chronischer Hepatitis B oder C. Die wenigsten wissen davon.
  • 120.000 Menschen in Österreich leiden an Hepatitis B oder C und jedes Jahr kommen rund 2000 Neudiagnosen dazu.
  • Die Leber leidet stumm. Warnende Symptome bleiben oft Jahre lang aus. Erhöhte Leberwerte bei Routineuntersuchungen können ein erstes Warnsignal sein, das jedoch oft ignoriert wird.
  • Beide Infektionen können nach Jahren zu Zirrhose und Leberkrebs führen.
  • Je früher die Infektion entdeckt wird, desto besser lässt sie sich therapieren. Die Behandlung hat in den letzten zehn Jahren große Fortschritte gemacht. Hepatitis B ist kontrollierbar. Hepatitis C ist heilbar.
  • Jeden Tag sterben 4.000 Menschen an Virushepatitis. Durch Impfung oder Behandlung könnten schon heute alle diese Menschenleben gerettet werden.

Kostenexplosion

Hepatitis B ist durch eine Impfung verhinderbar, Hepatitis C ist mit einer Erfolgsrate von bis zu 98 Prozent heilbar: Was steht einer Ausrottung dieser Lebererkrankungen dann noch im Weg? Gegen die möglichst breite Verwendung der neuen, extrem wirksamen und nebenwirkungsarmen Therapien per Tabletten wehren sich die Krankenkassen aus Kostengründen.

Als das erste Medikament zur Heilung der Hepatitis C auf den Markt kam, kostete es 700 Euro – pro Tablette. Eine Therapie kostete pro Patient bis zu 120.000 Euro – die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse sprach in diesem Zusammenhang gar von "Raubrittertum" der Pharmafirma.

Doch diese Zeiten sind vorbei: "Mittlerweile sind die Behandlungskosten pro Patient auf 20.000 bis 30.000 Euro gesunken und die Therapie ist günstiger als die alte Behandlung mit Injektionen“, sagt Ärztin Munda.

Ab Stadium II zahlt die Kasse

Trotzdem können nicht alle Patienten mit Hepatitis C in Österreich auf eine von den Krankenkassen bezahlte Therapie hoffen. Derzeit erfolgt das nur, wenn die Krankheit bereits ins Stadium II, III oder IV (Zirrhose) fortgeschritten ist. "Es ist einfach unerträglich und ethisch unvertretbar, dass nicht alle Patienten behandelt werden dürfen", sagt Angelika Widhalm, Vorsitzende der Selbsthilfeplattform „Gesunde Leber“. „Man wartet, bis die Patienten schwer krank sind und die Leber bereits geschädigt ist.“

Die Selbsthilfeorganisation fordert daher, dass die Medikamentenkosten sofort und für alle Patienten vom Gesundheitssystem refundiert werden.

Auch in der Früherkennung gibt es Aufholbedarf. „Immer noch gehen 40 Prozent der Lebetransplantationen in Österreich auf Hepatitis zurück. Dies wäre weitgehend vermeidbar“, sagt Markus Peck-Radosavljevic, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Gastroenterologieam Klinikum Klagenfurt : „Wichtig wäre vor allem, dass alle Patienten mit erhöhten Leberwerten zumindest einmal vom Hausarzt auf Hepatitis B und C überprüft werden und länger andauernde Leberwerterhöhungen einer fachärztlichen Untersuchung zugeführt werden."

Strategie fehlt

Auch ein Strategiepapier müsse her: Die WHO fordert seit Jahren von allen Ländern Strategiepläne zur Erreichung des Ziels einer Welt ohne Hepatitis. In Österreich fehlen diese noch gänzlich kritisiert die Selbsthilfe-Plattform – und appelliert an die Gesundheitspolitik, langfristig lösungsorientiert und nicht kurzfristig problemorientiert zu handeln. Nur so lassen sich diese infektiösen Erkrankungen bis 2030 eliminieren. “Das würde auch nachhaltig zur Gesundheitssicherung beitragen und die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich reduzieren”, sagt Widhalm.