Klare Worte fand am Dienstag, unmittelbar vor Beginn der Europäischen Brustkrebskonferenz (EBCC-8) in Wien (ab 21. März), der Wiener Gynäkologe und Mammakarzinom-Spezialist Ernst Kubista zur Situation rund um Brustkrebs in Österreich. Zu fordern sei ein modernes und umfassendes Meldesystem. Beklagenswerte Mängel gäbe es auch in der ambulanten Chemotherapie in weiten Teilen Österreichs, erklärten er und sein Fachkollege Christian Singer bei einem Pressegespräch der "Privatstiftung Brustgesundheit" in Wien.

Brustkrebs-Screening startet

Kubista, bis vor wenigen Jahren Leiter der Abteilung für Spezielle Gynäkologie an der Universitäts-Frauenklinik der MedUni Wien am AKH, hat mehr als zehn Jahre lang wortgewaltig die Etablierung eines Mammografie-Screening-Programmes für alle Frauen in Österreich gefordert. Im kommenden Jahr soll es gestartet werden. Doch der Spezialist ist vorsichtig bis skeptisch: "Es soll endlich ein Mammografie-Screening geben - nachdem man zehn Jahre daran gebastelt hat. Aber jetzt habe ich das Gefühl, man hört nichts mehr davon." Wenn das Programm mit Einladung der Frauen - hauptsächlich im Alter zwischen 50 und 70 Jahren - kommendes Jahr gestartet werden solle, müsse man schon jetzt entsprechend Information und Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Doch es fehlten noch wesentliche Begleitmaßnahmen zu dem Projekt, so Kubista: "Man soll es endlich machen. Aber es ist so wie bei Stau auf der Autobahn. Wir haben die 'Rettungsgasse' eingeführt, aber keiner weiß wie das geht." So müsse beispielsweise ein unabhängiges Wissenschafter-Gremium organisiert werden, welches das Projekt begutachtend begleite. Gravierend sei jedenfalls der Datenmangel in Sachen Brustkrebs in Österreich.

Christian Singer, Kubistas Nachfolger in dem Fachbereich der der MedUni Wien: "Wir wissen ziemlich genau in der Stadt Wien, wie viele Hamburger gegessen worden sind. Aber wir wissen nicht, wie viele Frauen an Brustkrebs erkrankt sind." Dafür seien mehrere Faktoren verantwortlich: Privatspitäler würden die Fälle nicht melden. Die Daten der Statistik Austria seien unvollständig und ungenau. Singer: "Die Zahlen sind dort deutlich 'untertrieben'." Eine eigene Untersuchung habe für den Raum Wien und Umgebung um die 600 Mammakarzinom-Behandlungsfälle im Jahr 2007 mehr ergeben als offiziell aufgeschienen.

Veraltete Datenblätter

Ein weiteres erhebliches Manko, so der Gynäkologe: "Das Datenblatt für die Meldung stammt aus dem Anfang der 1970er-Jahre." Fehlende Meldungen würden bedeuten, dass niemand weiß, wie viele solche Erkrankungen es wirklich gibt und in welchem Stadium sie diagnostiziert werden. Weil in dem alten Datenblatt aber auch keine Rubriken für tumorbiologische Eigenschaften (Hormonrezeptorstatus, HER2-Rezeptor-Status) vorhanden wären, könne auch gesundheitsökonomisch nicht ausreichend geplant werden. Kubista: "Das ist eine Angelegenheit des Gesundheitsministeriums." Ohne genaues Register werde in einigen Jahren niemand eine Aussage treffen können, wie sich das geplante Mammografie-Screening-Programm auf Art und Häufigkeit von Mammakarzinomen auswirke.

Ein anderes, strukturbedingtes Manko, so Singer: "In fast allen westeuropäischen Ländern wird eine Chemotherapie ambulant verabreicht. In Österreich ist das geteilt. In Tirol erfolgt das ambulant - die Frauen gehen danach nach Hause. In Wien übernachten sie im Spital." Das sei einfach dadurch bedingt, weil die Krankenhäuser wenigstens einen Tagsatz verrechnen wollte. Man zwinge die Patientinnen dazu, im Spital zu bleiben. Besonders schlecht hätten es die Privatversicherten - dort würden sich die Versicherungen einfach weigern, eine Chemotherapie ambulant zu bezahlen.

Die "Privatstiftung für Brustgesundheit", die sich komplett aus Spenden finanziert, will einerseits Aufklärung und Früherkennung bei Brustkrebs vorantreiben, andererseits unterstützt sie auch wissenschaftliche Projekte, die von einem international besetzen Spezialistengremium begutachtet werden. Jahrelang hat sie beispielsweise die genetische und gynäkologische Beratung von Frauen mit der Veranlagung zu Brust- bzw. Eierstockkrebs (BRCA1- und BRCA2-Genmutationen) in Österreich finanziert. Diese wurde erst nach Jahren zu je einem Drittel von Bund, Bundesländern und Krankenversicherungen übernommen. Kubista: "Da gab es am Anfang keine öffentlichen Fördergelder. Was heute hochgelobt wird, war damals unmöglich." Mittlerweile sei Österreich hier vorbildlich.