Wenn es doch so einfach ist

Das Ende kommt zu früh. Die letzten waren supergute vegane Tage: Das Kochen hat Spaß gemacht, die regionale Herausforderung hat den Ehrgeiz gekitzelt. Das darf den Rückblick aber nicht verklären, deshalb muss ich sagen: Es war nicht immer lustig - aber insgesamt viel einfacher als gedacht.

Unlustig war veganes Essen dann, wenn ich nicht selbst Chefin darüber war, was auf den Teller kommt. Im Hotel zum Beispiel, wo das Frühstücksbuffet eine Tour de Force durch die verführerischen Wahlmöglichkeiten der Allesesser ist, die dann mit einem mickrigen Sojajoghurt belohnt wird. Und in Lokalen, wo auf die Frage „Was will ich?“ die Antwort lautet: Das eine Gericht darf ich essen. Weil ich außerdem Brotliebhaberin und Jausnerin bin, waren das - vor allem nach dem Bruch mit Hummus, Sie erinnern sich - auch nicht immer beglückende Esserlebnisse.

Aber: Die positiven Erfahrungen überwiegen! Ich habe Nahrungsmittel schätzen gelernt, die ich vorher noch nie gekauft hatte (Süßkartoffeln, mnomm). Ich habe die ausgetretenen Pfade beim Einkauf und in der Kochroutine verlassen, bin zur versierten Eintopfköchin geworden und habe die Liste an vorgemerkten Rezepten noch nicht fertig.

Ich fühle mich gut: Dieses schwere Gefühl des „Angefressenseins“ hat sich in den letzten Wochen nie eingestellt und ich habe kaum Blödsinn zwischendurch gegessen - ging ja nicht. Bis auf wenige Ausnahmen (siehe vorhin) hat sich das Experiment nicht nach Verzicht angefühlt.

Apropos gut fühlen: In den USA haben Forscher aktuell berechnet, dass 350 Millionen mehr (!) Menschen durch die Landwirtschaft versorgt werden könnten, würde ganz Amerika vegan essen. Trotzdem: Ich freue mich auf ein Osterei und Mamas Pinzen. Ich freue mich auf Fisch, ein griechisches Joghurt  und ein weiches Ei zum Frühstück. Und am allermeisten freue ich mich auf ein Butterbrot mit Schnittlauch.

Aber der überlegte Konsum und ein, zwei vegane Tage die Woche werden bleiben - wenn es doch so einfach ist.

Regionale Wurzelküche

Eine regionale Woche hatte ich zum Abschluss meiner Fastenzeit ausgerufen – und die Rezeptideen von vielen lieben Menschen da draußen trudelten in meine Mailbox ein. Dadurch habe ich zum Beispiel gelernt, dass es weststeirische Quinoa gibt und dass man Hirse nicht nur süß, sondern auch grün essen kann. An die Hirse habe ich mich jedoch noch nicht heran gewagt – dafür gab es getreu dem Motto „zurück zu den Wurzeln“ eine feine Suppe aus Pastinaken, Erdäpfeln und Möhren in zwei Farben (siehe unten). Auch Krautfleckerl, die der Lieblingsmensch zum Glück umwerfend gut kochen kann, und ein Erdäpfelgulasch (ohne Würstel, natürlich) machten die letzten Tage zu allem anderen als einer kulinarischen Durststrecke.

Und ich habe schon Pläne: Rein regionale Frühlingsrollen, einen Rollgerstesalat und Irgendwas mit Hirse will ich machen – und Gründonnerstag ist ja auch noch. Jetzt mache ich mir tatsächlich Sorgen, dass mir die Fastenzeit zu kurz werden könnte ...

Übrigens: Eine, nicht allzu bittere, Erkenntnis hat mir die Fastenzeit auch gebracht: Food-Fotografie ist kein Handwerk, auf das ich bauen sollte.

Pastinake, Möhre & Co. im Rohzustand
Pastinake, Möhre & Co. im Rohzustand © Saurugger
Wurzeln in Suppenform
Wurzeln in Suppenform © Saurugger
Erdäpfelgulasch
Erdäpfelgulasch © Saurugger

Zurück zu den Wurzeln

Es ist schon schön zu wissen, dass es da draußen Menschen gibt, die sich kümmern. Nach meinem letzten Tagebuch - das den Bruch mit dem Brotbegleiter Hummus darlegte - erreichten mich digital so wie im echten Leben viele Ratschläge für neue Brotbelage. Einer hat mich besonders überzeugt: Linsenaufstrich mit einem wunderbaren Curry-Farbton, der Frühling aufs Brot zaubert. Verliebt hatte ich mich auch in ein veganes Schmalz (mhmm, umami!) - da dieses aber zum Großteil aus Palmfett besteht, wird die Affäre eine kurze bleiben.

Überhaupt soll an dieser Stelle einmal Danke gesagt werden für all die positiven Zuschriften, Rezepttipps und Durchhalteparolen, die ich erhalten habe: Vielen Dank! Das hat die Fastenzeit nicht nur kulinarisch reicher gemacht.

Linse mit Curry
Linse mit Curry © Saurugger

Die Jause ist für die letzten Tage meiner Fastenzeit jedenfalls gesichert. Und weil das Ende so nahe ist, habe ich mir selbst noch eine kleine zusätzliche Herausforderung vorgenommen: zurück zu den Wurzeln. Soll heißen: Ich habe die letzten Wochen sehr „exotisch“ gegessen: Quinoa, Süßkartoffeln, Avocado, Kichererbsen waren Stammgäste auf meinem Speiseplan. Mich würde interessieren: Geht es auch vegan und regional? Und das zu einer Jahreszeit wie dieser?

Daher ist das Ziel, die verbleibende Zeit, so gut es geht, mit saisonal verfügbarem Gemüse und Lebensmitteln zu kochen. Krautfleckerl sind Fixstarter in der Menüfolge, ebenso der heiß geliebte Vogerlsalat (am liebsten mit warmen Erdäpfeln), Pastinaken werden ebenso in die Suppe wandern wie der Knollensellerie - und Bohnen gehen, glaube ich, immer, oder? Vielleicht gibt es ja wieder ein paar Kümmerer da draußen? sonja.saurugger@kleinezeitung.at

Es ist aus mit uns, Hummus!

Es ist passiert. Hummus gehört nicht erst seit Beginn der Fastenzeit zu meinem Essrepertoire: Als Dip für Gemüsestäbchen fehlte er auch davor bei fast keinem ausgiebigen Frühstück. Doch letztes Wochenende plötzlich, der Bruch. Ich aß ein Hummusbrot mit Möhrenraspel und Schnittlauch, als ich auf einmal wusste: Nicht einen Bissen kann ich davon mehr essen! Der Hummus steht mir also nach all der gemeinsamen Zeit an – damit fällt der wichtigste Brotbegleiter aus.

Ob das der Auslöser war, dass die vergangene Woche fastenmotivationstechnisch ein Durchhänger war? Vielleicht. Zum ersten Mal fiel es mir schwer, am Jausentisch an Käse und Ei vorbeizugreifen, zum ersten Mal gierte ich an der Weckerlstation sehnsüchtig nach den Butterbrezeln. Auch ins vegane Kochen hat sich die Routine eingeschlichen – der Mensch, das Gewohnheitstier.

Dabei gäbe es Grund zu feiern: Mehr als 30 Tage sind es schon, dass tierische Lebensmittel auf meinem Speiseplan fehlen. Also hoffe ich auf den Motivationsschub, den ein Endspurt mit sich bringen kann.

So ein Schmarrn

Inzwischen sind ja schon vier Wochen Fastenzeit ins Land gezogen und ich habe eine ganze Palette an Alltagssituationen rein pflanzlich durchlebt: Die Versorgung funktioniert zu Hause und im Büro problemlos - auch, weil ich urban wohne und arbeite.

Am vergangenen Wochenende die nächste Challenge: Einladung bei Bekannten zum Essen, von denen ich von früheren Besuchen wusste, es gibt immer Rindsgulasch. Daher mein Überlebensplan: Ich bringe selbst etwas mit. Ein Anflug von Peinlichkeit war schnell überwunden, die Gastgeber mit meinem „Extrawürstel“ vorbehaltlos einverstanden. Und so tauchte ich mit einer Schüssel Quinoa-Süßkartoffel-Mandel-Salat zum Essen auf, es sollte ja genug für alle geben. Gegessen haben dann aber nur ich und der liebe Gastgeber davon - die Konkurrenz war mit einem butterweich gegarten Rindsgulasch (so berichteten es Gaumenzeugen) aber wirklich groß.

Leider verliefen nicht alle Auswärtsspiele so erfolgreich. Den Totalausfall im Wellnesshotel angesichts von Haferflockenlaibchen habe ich ja schon gebeichtet. Jetzt ist es leider schon wieder notwendig: Bei einem Mittagsstopp in einer Skihütte in der Obersteiermark betrat ich mitten im Winterwunderland die vegane Wüste. Vom Hunger - nach einem dünnen veganen Hotelfrühstück mit Sojajoghurt und Obst - und schmerzenden Oberschenkeln gezeichnet, erschienen mir Pommes, als einzige vegane Option, nicht als die beste Grundlage für den kommenden Nachmittag. Geworden ist es dann eine kräftige Suppe (nicht vegan) und: Kaiserschmarrn.

Ich senke mein Haupt in Scham und gelobe Besserung.

Das Objekt der Begierde - gut war´s schon
Das Objekt der Begierde - gut war´s schon © Saurugger

Aufs Börserl geschaut

Die häufigsten Fragen zu meiner tierlosen Fastenzeit klingen wie eine Liste der häufigsten Vorurteile gegenüber dem Veganismus. Ganz weit oben: „Vegan essen ist doch superteuer, oder?“ Eine abschließende Antwort fällt mir schwer, da ich meine Einkaufskosten Prä-Fasten nicht dokumentiert habe. Daher versuche ich es, absolut nicht repräsentativ, im direkten Vergleich.

Statt der Milch (1,29 Euro im nächsten Supermarkt) kommt jetzt ein Mandeldrink (2,29 Euro) aufs Müsli. Statt meiner Lieblingsbutter (2,59 Euro) schmiere ich Hummus (2,99 Euro) aufs Brot. Statt Wurstbelag (2,39 Euro) am Sonntagssemmerl gibt's Avocado (1 Euro). Statt dem Frühstücksei (3,19 Euro in der Sechserpackung) gibts Quinoa (4,95 Euro) mit Gemüseeinlage (Stangensellerie 1,99 Euro, Jungzwiebel 1,49 Euro). Statt beim Hühnerfleisch (circa 10 Euro pro Kilo) hab ich bei den Süßkartoffeln (2,99 pro Kilo) zugeschlagen.

Was ich bisher nicht esse: spezielle Ersatzprodukte, wie vegane Würstchen, die sich, so heißt es bei der veganen Gesellschaft, besonders aufs Börserl schlagen. Solange die Basis Lebensmittel wie Kartoffel, Reis und Gemüse sind, sehe ich mich also nicht in Unkosten versinken.

Lieb gemeint

Es ist schon interessant. Seit ich mich erstmalig intensiv damit beschäftige, was in meinen Körper in Form von Essen hinein kommt, macht sich meine Umgebung plötzlich Sorgen darum, ob ich wohl gesund bin.

Am Wochenende treffe ich eine Freundin - „Du schaust ja eh ganz normal aus“, begrüßt sie mich, in Anspielung auf mein Ernährungskonzept. „Na, wie geht’s, abgesehen von den Mangelerscheinungen?“, fragt ein Freund per Nachricht. Und auch einige Leser scheinen sich um meine Gesundheit zu sorgen, schließlich sei die vegane Ernährung ja unnatürlich.

Ja, sicher – wie schon ganz am Anfang hier geschrieben, ist mir bewusst, dass eine vegane Ernährungsweise gut geplant sein will, dass Mangelerscheinungen (Stichwort Vitamin B12) möglich sind und dass es jetzt nicht angeht, dass ich mich einseitig ernähre und den Hunger mit Unmengen Kohlenhydraten bekämpfe.

Aber: Der Sinn meines Versuches ist es ja genau, den gedankenlosen Konsum hinter mir zu lassen und mich intensiver damit zu beschäftigen, was ich eigentlich esse. Mir schmeichelt die Sorge der Umwelt ja – aber interessant ist, das sie dort beginnt, wo ich mich ausschließlich pflanzlich ernähre.

Mit Gemüse, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten nimmt man sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, Ballaststoffe in großen Mengen auf – alles, was gesund ist, also. Krank macht uns vor allem ein Zuviel an Fleisch, ungesunden Fetten und Zucker – zumindest die beiden letzteren kann man auch als Veganer in zu großen Mengen zu sich nehmen, wenn man sich zum Beispiel vor allem von hochverarbeiteten Produkten ernährt.

Tu ich aber nicht, sondern koche vor allem selbst, und versuche dabei die ganze Breite pflanzlicher Lebensmittel zu nutzen. Das braucht mehr Überlegung und neue Rezepte, aber so soll's ja sein. Und bei kritischen Nährstoffen wie Kalzium oder Eisen achte ich besonders auf die Zufuhr – das habe ich vorher noch nie gemacht.

Zum Thema Mangelerscheinung kann ich (noch) nichts sagen, aber ich fühle mich sehr gut, kann ohne Einschränkung Sport machen, bin weder energielos noch bemerke ich sonst Nebenwirkungen. Daher: Danke für die Sorge, aber so gut auf mich geschaut wie momentan habe ich wohl noch nie.

Was ich aber auch dazu sagen muss: Ich esse vegan für einen begrenzten Zeitraum. Würde ich meine Ernährung für immer umstellen, bräuchte es wohl noch viel mehr an Planung und richtiger Zusammenstellung bei meinen Mahlzeiten.

Das Fleisch ist schwach

Das wird jetzt nicht leicht.

Ich muss beichten, und zwar einiges. Die Herausforderung hatte ich ja schon angekündigt: Zwei Nächte im Wellnesshotel, es könnte einem Schlimmeres passieren. Beim ersten Abendessen dann zu meiner Überraschung: Ein grünes Blättchen neben einer der Hauptspeisen, das vegane Wiedererkennungszeichen! Doch dann der Schock: Die vegane Hauptmahlzeit waren … Haferflockenlaibchen. Jetzt muss man dazu erklären, dass ich seit meiner Kindheit eine tiefgreifende Abneigung gegen Laibchen hege. Die Ursache könnte sein, dass ich für mein Empfinden überdurchschnittlich oft Getreidelaibchen vorgesetzt bekam, weil gesund. Gemocht habe ich sie jedoch nie, die tiefe Feindschaft hat sich gleichzeitig mit der Persistenz ihres Erscheinens etabliert.

Und da sitze ich jetzt, in einem Hotel und vor einem Menü, für beides bezahle ich nicht wenig Geld, und soll etwas bestellen, dass mir zutiefst zuwider ist? Ja, werden nun viele zurecht sagen, das ist die Definition von Verzicht – man bekommt eben nicht alles, was man will. Ich mach's kurz: Das Fleisch war schwach und ich habe den Lachs bestellt.

Als wäre das nicht schon genug Grund zum Schämen, sind dann alle Dämme gebrochen: Nach dem nicht-veganen Dessert dann auch noch Käsebuffet. So schnell kann's gehen. Da hilft es wohl auch nicht viel, dass ich am nächsten Tag inmitten des Brettljausen-Gelages im Buschenschank saure Käferbohnen gegessen habe. Oder?

Vegan im Buschenschank - geht, mit sauren Bohnen
Vegan im Buschenschank - geht, mit sauren Bohnen © Saurugger

Aber: Ich habe gebeichtet, ich habe mich wieder zusammen geklaubt und mache weiter. Nach der Heimkehr gab's eine Suppe mit Süßkartoffel und Kokosmilch. So geht mir vegan ganz leicht über die Lippen.

Vegan by nature

Im letzten Telefonat mit Zuhause berichtet meine Mama stolz: "Ich habe heute vegan gekocht!" Aha, denke ich, mein Vegan-Experiment hat sich also schon genetisch durchgeschlagen und meine Familie ergriffen. Bis Mama erklärt: "Ich habe Grenadiermarsch gemacht, der ist ja auch vegan!" Jetzt muss man dazu erklären, dass das Rezept für das klassische Restlgericht in meiner Familie ein bisschen anders umgesetzt wird als üblich: Auf Selchfleisch oder Speck wird verzichtet, dafür werden die Nudeln meist durch selbstgemachte Nockerl aus Mehl, Wasser und Salz ersetzt. Und fertig ist eine vegane Interpretation des Klassikers: Meine Mama hat also nicht „absichtlich“ vegan gekocht, aber durch die neue, durch mich verschuldete Aufmerksamkeit für die rein pflanzliche Küche den veganen Charakter in einem Fixstarter der Hausmannsküche entdeckt.

Und das gelingt mit einigen Klassikern unterschiedlichster Kochtraditionen: Zu meiner großen Freude ist eines meiner liebsten Pastagerichte, Spaghetti aglio e oilo „by nature“ vegan: Nudeln, Knoblauch, Olivenöl, Chili, dazu noch ein paar Tomaten und Petersilie – fertig. Die vegane Gesellschaft Österreich listet noch eine ganze Reihe klassischer internationaler Gerichte, die rein pflanzlich sind: mexikanische Guacamole, orientalische Falafel, indisches Kichererbsen-Curry.

Fallen euch noch Gerichte ein, die „zufällig“ vegan sind? Ich freu' mich über Post: sonja.saurugger@kleinezeitung.at

Währenddessen stelle ich mich der Herausforderung: Was essen, wenn man zwei Nächte im Hotel mit Halbpension verbringt?

So sah das sonntägliche Abendessen aus: Gemüse-Wrap mit Avocado, Salat, Tomaten-Salsa und Bohnen
So sah das sonntägliche Abendessen aus: Gemüse-Wrap mit Avocado, Salat, Tomaten-Salsa und Bohnen © Saurugger

Heiß, fettig - und vegan

Veganer knabbern nur Gemüse und leben deshalb supergesund? Vielleicht. Dass es aber auch anders geht, habe ich mit meiner gestrigen Zug-Jause bewiesen: Fettige Pommes, die bestimmt den ganzen Waggon nach Fast Food lechzen ließen. Kartoffeln waren schon vor der veganen Phase sehr wichtig für mich - und sind es weiterhin, da zu hundert Prozent tierfrei. Schwieriger wurde es schon bei der Soßenbegleitung - gewollt hätte ich Sour Cream, genommen aber Ketchup, da das, laut meiner schnellen Google-Recherche, auch vegan-tauglich ist.

Auch so sieht veganes Essen aus
Auch so sieht veganes Essen aus © Saurugger

Was ist sonst passiert? Ein Familienessen im veganen Lokal, mit Burgern, Chili sin Carne und Grünkernlaibchen im Gemüse-Wrap hat allen geschmeckt. Die firmeninterne Kantine schaut auch auf Veganer und hat mich mit Risotto und Selleriegemüse höchst schmackhaft gefüttert. Nur die Verpflegung in einem Workshop hat auf vegane Bedürfnisse gepfiffen: Schokokekse (leider nein), Käsestangen (nicht für mich), Gummibärchen (da müsste ich zuerst auf die Inhaltsliste schauen, die Verpackung gibt's aber nicht mehr) waren nix für mich. Unter den hämischen Blicken der Kollegen hab ich halt am selbst mitgebrachten Apfel gekaut.

Aber: Danach hab ich die fettigen Pommes ganz ohne schlechtes Gewissen essen können. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Das 1. Wochenende: Wie kommt das Tier in den Wein?

Mein erstes veganes Wochenende liegt hinter mir und hat mir einige neue Erkenntnisse gebracht, eine davon: Nicht nur was auf den Teller kommt, zählt. Auch habe ich für mich beschlossen, diesen ersten Sonntag streng vegan zu bleiben – jetzt bin ich doch gerade erst ein bisschen reingekommen, das muss nicht gleich in den Grundfesten erschüttert werden.

Bei einem geselligen Zusammensein am Wochenende war mein Vegan-Experiment das Gesprächsthema Nummer 1. Merke: Wer sich mit Smalltalk schwertut, Ess-Experimente liefern Gesprächsstoff, der so gut wie alle interessiert.

Nach einer Statusbeschreibung meinerseits, machte mich die Frage einer Kollegin – mit Blick auf das Spritzwein-Glas in meiner Hand – stutzig: „Wie tust du eigentlich mit Wein?“, fragte sie. Bitte? Wie soll ich mit Wein schon tun? Ich trinke ihn, heute Abend gespritzt.

Da erleuchtet sie mich und erklärt, dass es ja auch veganen Wein gebe und Zusatzstoffe in herkömmlichen Wein tierischen Ursprungs sein können. Ich war fassungslos – daran, dass ein Getränk aus Weintrauben nicht vegan sein könnte, habe ich trotz meiner langen Google-Liste – „Ist xxx vegan?“ - überhaupt nicht gedacht. Doch die Nachlese auf der Homepage der veganen Gesellschaft zeigt: Tatsächlich werden Gelatine, Fischblase oder Eiklar dazu eingesetzt, Trüb- und Schwebstoffe aus dem Wein zu filtern.

Doch ist das bei jedem Wein so? Die Nachfrage bei Wein-Experten Arno Bergler macht mich gescheiter. „In Österreich sind diese Schönungsmittel auf tierischer Basis kennzeichnungspflichtig“, sagt Bergler. Werden solche Zusätze verwendet, müssten sie am Etikett angegeben werden. Dass das nicht passiert, liegt laut Bergler daran, dass die meisten Winzer auf die pflanzliche Alternative umgestiegen sind: Erbsen-Eiweiß. Somit bleibt Wein vegan – manche Betriebe nutzen das als Werbeinstrument und versehen ihre Flaschen mit dem Vegan-Logo. „Ist Wein nicht vegan, müssen die Zusatzstoffe jedenfalls angegeben werden“, sagt Bergler. Für mich heißt das: Ein Produkt weniger, um das ich mich sorgen muss.

Sonst? Überlege ich schon ernsthaft, mich dem Vorhaben des Kollegen Markus Zottler anzuschließen und Instagram für die verbleibende Fastenzeit zu meiden. All diese überaus appetitlichen Essensfotos von schlotzigem Fleischsugo oder butter-schwangeren Pancakes machen das Leben nicht gerade leichter.

Tag 3: Von Jägern und Sammlern

Bisher lief es ja ganz gut mit dem Vegan-Experiment: Ich habe mir im Büro Brote mit Hummus geschmiert, das Mittagessen zuhause vorgekocht, auf dem Nachhauseweg den Supermarkt durchforstet. Bei den Einkaufstouren befand ich mich in ähnlichen Ausnahmezuständen wie der durchschnittliche Österreicher vor Doppelfeiertagen: Alles (für mich) Essbare horten und nach Hause schleppen, um nur nicht hungrig zu bleiben.

Heute, an Tag Drei, aber eine ganz neue Herausforderung: Eine Zugfahrt steht an, und danach ein Abend in einem Lokal, von dem ich weiß, vegan ist dort nicht. Die übliche Zug-Jause fällt jedenfalls aus, hat mir das Vegan-Projekt ja die Butter vom Brot genommen und die Butterbrezel mit Schnittlauch steht somit nicht zur Diskussion.

Falafel in Pita
Falafel in Pita © (c) Igor Dutina - stock.adobe.com (Igor Dutina)

In Antizipation einer ersten Essenskrise starte ich daher mit gehörigem Zeitpolster Richtung Bahnhof – wer weiß, wie lange die Suche dauert. Die Bäckereien lasse ich links liegen – um mich nicht in Butterverführung zu begeben -, ebenso die üblichen Fast-Food-Buden.

Doch ganz unverhofft, weil prä-vegan noch nie wahrgenommen, schiebt sich das verheißungsvolle Geschäftsschild „Orientalisches Fast Food“ ins Blickfeld, mit Falafel-Bildchen drauf. Perfekt! Der Kichererbsenbällchen-Jongleur versichert, alles vegan - und die Zug-Verpflegung/Abendessen ist gesichert.

Vegan unterwegs geht also auch. Und ich blicke gespannt der nächsten Herausforderung entgegen: Ein Wochenende auf Heimatbesuch bei den Eltern.

Tag 2: Ohne Eiweiß geht es nicht

Ein Satz klingelt mir seit Mittwoch in den Ohren: Eine vegane Ernährung muss gut geplant sein. Er stammt von Ernährungsexperten und fühlt sich im Alltag jetzt so an: Ich kann (noch) nicht ohne Plan und Verpflegung das Haus verlassen, weil, 1. das wenigste, was man „unterwegs“ essen kann, den veganen Ansprüchen genügt, 2. mit dem Verzicht auf tierische Produkte auch zentrale Nährstoffquellen wegfallen.

Mit Fleisch, Eiern und Milchprodukten fehlen zum Beispiel zentrale Eiweißlieferanten – Eiweiß sollte aber zehn Prozent der Ernährung ausmachen. Pflanzliche Alternativen müssen her und da sind wir nun beim Planen: Ich könnte mich mit Kohlenhydraten wie Nudeln oder Kartoffeln vollstopfen oder nur Grünzeug knabbern. So geht ausgewogene Ernährung aber nicht. Deshalb sind Kichererbsen meine neuen Freunde, denn sie liefern pflanzliches Eiweiß und schmecken. In Gestalt einer Mahlzeit sieht das zum Beispiel so aus: Gemüse-Wok mit Kichererbsen und Reis. Zwischendurch gibt’s getrocknete Cranberrys und Nüsse, zum Frühstück Roggenbrot mit Hummus. Ein paar weitere „Regeln“ für die vegane Ernährung, was zum Beispiel Kalzium oder Fettsäuren angeht, hab ich hier gesammelt:

Tag 1: Das erste Frühstück

Beim morgendlichen Gang durch den Supermarkt des Vertrauens nimmt das Ausmaß des Verzichts zum ersten Mal reale Gestalt an: Ganz Regalgänge sind tabu - kein Käse, keine Milchprodukte, auch bei der Süßigkeiten-Abteilung wird es schwierig. Dafür lerne ich ganz neue Seiten des Nahversorgers kennen: Im Veggie-Eck versorge ich mich mit Hummus, fürs Auge gibt's noch Kresse zur Garnierung und statt griechischem Joghurt wird es heute eine Mandel-Creme. Ich habe auch schnell gelernt: Das grüne Vegan-Blättchen auf einer Verpackung ist mein Freund und hilft bei der Auswahl sehr. Große Erleichterung dann beim Bäcker ums Eck: Das Roggenbrot, das ich so gern esse, ist vegan! Und so starte ich meinen ersten veganen Tag mit einem Frühstücksbrot, das sich sehen lassen kann. Oder?

Hummus-Brot mit Kresse
Hummus-Brot mit Kresse © Saurugger

Vegan - wie geht denn das?

Oh Butter, du wunderbarer Gaumenschmeichler, wie ich dich vermissen werde! Eine Fastenzeit ganz ohne tierische Lebensmittel habe ich mir vorgenommen – vor allem, weil ich es einfach ausprobieren will. Denn so wie bei den meisten, denen ich vom Vorhaben erzähle, ist auch meine erste Reaktion auf einen veganen Lebensstil: Oje, wie mühsam! Und: Was kann man da überhaupt noch essen? Deshalb sehe ich es als Herausforderung, den kulinarischen Horizont zu erweitern und dabei sagen zu können: Für meinen Appetit hat kein Tier Leid ertragen müssen.

Bisher esse ich gerne Fleisch, wenn auch nicht in rauen Mengen, sondern lieber in guter Qualität. Mamas Schweinsbraten, ein gut gebratenes Steak – das sind gern gesehene, aber seltene Gäste auf dem Speiseplan. Ebendiesen hab ich in der Vorbereitung schon auf vegane Zufallstreffer durchforstet – siehe da: Mit Krautfleckerl, Quinoa-Salat oder Gemüse-Chili kann ich für die vegane Fastenzeit aus dem üblichen Kochrepertoire schöpfen. Das beruhigt insofern, als meine Ernährung weiterhin ohne stark verarbeitete Lebensmittel auskommen soll.

Trotzdem merke ich schon, dass mich eine Frage intensiv beschäftigen wird: Ist das vegan? Das Weckerl zwischendurch, das Kuchenstück – alles muss ab sofort unter die Lupe. Was das mit dem eigenen Wohlbefinden macht? Sie werden davon lesen.

Die Ausgangslage

Am Anfang stand das Vorhaben: Wir wollen fasten. Nur was? Getreu dem Motto "Besser Leben" verzichten wir auf lieb gewonnene Gewohnheiten, die der eigenen Vorstellung von Zufriedenheit eigentlich zutiefst widersprechen.

Daher wird Kerstin Oberlechner gemütlichen Liften und anderen Aufstiegshilfen die kalte Schulter zeigen und so mehr Bewegung in den Alltag bringen. Die kalte Schulter kriegt auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg vonMarkus Zottler gezeigt – seine digitalen Dauerschleifen haben 40-tägige Sendepause. Claudia Felsberger sagt wiederum dem Zucker „Baba“ und Sonja Saurugger wagt sich an den veganen Lebensstil. Um zu testen, wie man sich eigentlich ohne tierische Lebensmittel ausgewogen und gut ernähren kann.