Evo..., was? Wenn Bettina Brencic das erste Mal von ihrem Spezialgebiet spricht, könnte es sein, dass einem das Wort "Evolutionspädagogik" selbst nicht sofort flüssig über die Lippen kommt. Und auch das Konzept hinter dem Wort ist komplex, aber es wirkt. Zum Beispiel bei dem Kindergartenkind, das weit über die Eingewöhnungsphase hinaus viel weinte und sich unsicher fühlte. Die Kindergärtnerin war in Evolutionspädagogik ausgebildet und machte Übungen zur Erlebnissicherheit mit dem Kind. Nach wenigen Tagen war es mit dem Weinen vorbei. Über das Lernen der richtigen Bewegungen vernetzte sich das betroffene Areal im Gehirn und das Kind war plötzlich neugierig auf Neues und konnte sogar entspannt auf Ausflüge gehen.

Die Evolutionspädagogik geht davon aus, dass gewisse Areale bei den Gehirnentwicklungsstufen nicht vernetzt wurden und dann später Probleme auftauchen. Doch das kann man bei Bettina Brencic nachholen. Sein Kuscheltier unter den Arm geklemmt, folgt der vierjährige Felix den Linien eines Labyrinths. Gar nicht so einfach, den Weg zur Mitte zu finden, aber er bleibt dran. "Das Labyrinth dient der Sprachsicherheit. Bewegung, Körpergleichgewicht und Sprache stehen in engem Zusammenhang. Hat man Zugang zur Sprache, kann man Wut und Konflikte verbal austragen und muss das nicht mit Körpereinsatz tun", erklärt Brencic. Kurz darauf sind die beiden Krokodile und robben über den Fußboden. Was der unbedarfte Beobachter nicht bemerkt: Das kleine Krokodil robbt nicht gleichmäßig verschränkt – hier kann man  ansetzen. Denn funktioniert einmal die verschränkte Bewegung, vernetzen sich zuständige Gehirnareale neu und Kompetenzen werden erweitert. Im Falle des Krokodils helfen diese Übungen unter anderem bei zu großer Anspannung, die sich auch in Form von ADHS oder aggressivem Verhalten auswirken kann.

Gerade bei unliebsamem Verhalten ist es Brencic ganz wichtig, Verständnis für die Kinder aufzubringen, statt zu moralisieren: "Bei einem Wutausbruch hat das Kind im Moment keine andere Strategie zur Verfügung. Werden Kinder aggressiv, sprechen sie aus alten Gehirnregionen mit uns über ihren Körper. Da hat es keinen Sinn, zu tadeln. Jemand, der aggressiv ist, ist auch kraftvoll, könnte man das positiver sehen." Einerseits kann an Blockaden in evolutionspädagogischen Einzelstunden, Gruppen oder kompakt in Camps gearbeitet werden. Brencic kommt aber auf Wunsch auch in Kindergärten
und Volksschulen und arbeitet vor Ort in kleinen Gruppen. Kindergärtner und Lehrer können sich auch selbst zu Evolutionspädagogen ausbilden lassen, was sinnvoll ist, denn sie sind genau dort, wo Kinder das erste Mal verhaltensauffällig werden oder sich beim Schreiben- und Rechnenlernen schwertun.

Das Angebot von Brencic und ihren Ausbildnerkollegen wird in Kärnten und der Steiermark gerne angenommen. In der Volksschule im Kärntner Lendorf wurde sogar ein neuer Trainingsparcours nach dem Konzept der Evolutionspädagogik errichtet. "Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase soll der Parcours allen Interessierten zur Verfügung stehen," so Direktor Horst Steinlechner. Auch der Schulleiter der Volksschule Eberndorf, Gernot Waldner, spricht von sensationellen Erfolgen bezüglich Offenheit, Kreativität und der Beseitigung von Lernblockaden. In seiner Volksschule hatten Eltern die Evolutionspädagogen in die Turnstunden geholt.


Kann denn richtiges Lernen wirklich so einfach sein? Die Kinder balancieren auf Stämmen, schlängeln sich wie Schlangen, kriechen wie Krokodile, und dann klappen Schreiben, Rechnen und das Soziale wie von selbst? Geht es nach Evolutionspädagogik-Begründer Ludwig Koneberg, dann ja: "Denn sind Blockaden erkannt und behoben, passiert Lernen im Vorbeigehen."