Wie schätzen Sie das aktuelle Angebot an Kinder- und Jugendbüchern ein? Gibt es einen aktuellen Trend?

GERHARD FALSCHLEHNER: Generell gibt es ein vielfältiges Angebot für alle Altersstufen und Interessen. Zwei Dinge sind aber auffällig: einerseits das tolle, qualitätsvolle Angebot für die Kleinen und fürs Vorlesen bzw. gemeinsame Lesen. Andererseits ist da der boomende literarische Fantasymarkt im Gefolge von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“. Früher war das einer kleinen Gruppe von Fans vorbehalten, jetzt gewinnt es breitere Schichten bei Burschen und Mädchen.

Woran sollten sich Eltern orientieren, wenn sie ein Buch für Kinder suchen?

GERHARD FALSCHLEHNER: Einfach am Geschmack der Kinder. Sie sind letztlich die, die entscheiden, was sie lesen.

Gerhard Falschlehner verzeichnet nach wie vor große Begeisterung fürs Lesen bei Kindern und Jugendlichen
Gerhard Falschlehner verzeichnet nach wie vor große Begeisterung fürs Lesen bei Kindern und Jugendlichen © (c) © Bubu Dujmic

Und was empfehlen Sie Omas und Tanten, die den Geschmack des Kindes nicht so genau kennen?

GERHARD FALSCHLEHNER: Die beste Methode ist, das Kind nicht mit einem Buch zu überrumpeln, sondern mit ihm gemeinsam in eine Buchhandlung zu gehen und es selbst aussuchen zu lassen. Oft sind Erwachsene ja auch überrascht, was ein Kind interessiert und welche Ästhetik es anspricht. Wenn ich die Möglichkeit habe, gemeinsam mit dem Kind etwas auszusuchen, ist das in jedem Fall besser, als etwas zu kaufen, von dem ich glaube, das es ihm gefallen könnte – oder noch schlimmer: Was mir vor 30 bis 40 Jahren gefallen hat. Der persönliche Geschmack des Kindes schlägt in der Regel alle anderen Kriterien.

Ist Ihnen dabei nicht die Gefahr viel zu groß, dass ein Kind zu schlechten Büchern greift?

GERHARD FALSCHLEHNER: Ein schlechtes Buch ist meiner Ansicht nach nur ein nicht gelesenes. Es kann sein, dass ein Buch, das einem Erwachsenen nicht gut vorkommt und auch sicher nicht hohe literarische Qualität hat, für ein Kind eine Welt und einen Einstieg ins Lesen bedeutet. Auch wenn Kinder nach scheinbar billigem Lesefutter greifen, ist das allemal besser, als sie lesen gar nicht. Ich würde bei Kinderbüchern heute generell eine abwertende Bezeichnung vermeiden – außer in den Bereichen, wo ein Kinderbuch diskriminierend oder sexistisch ist, aber so ein Buch ist in einer normalen österreichischen Buchhandlung ohnehin nicht zu finden. Gerade im Kinderbuchbereich gibt es da viel Sensibilität.

Was macht prämierte Bücher aus?

GERHARD FALSCHLEHNER: Dass sie Leser auf einer bestimmten Ebene herausfordern. Wenn es um Bilderbücher geht, ist das wichtigste Qualitätskennzeichen, ob ein Bild Fragen stellt, dass man gefordert ist, darüber nachzudenken. Und Texte sollten Leerstellen offenlassen, die man als Leser selber füllen muss.

Haben die bekannten alten Märchen überhaupt noch einen Platz im Kinderzimmer?

GERHARD FALSCHLEHNER: Pauschal lässt sich das nicht sagen. Im Sinne der Allgemeinbildung ist es sicher nicht schlecht, wenn ein Kind die wichtigsten Klassiker der Märchen kennenlernt. Um Lesefreude zu wecken, würde ich sie aber nicht in die erste Reihe stellen. Da würde ich aktuelle Geschichten bevorzugen, die die Welt der Kinder widerspiegeln.

Welche Bedeutung räumen Sie dem Vorlesen ein?

GERHARD FALSCHLEHNER: Es ist wichtiger denn je. Ein guter Teil meiner Arbeit im Buchklub ist ja, Eltern zum Vorlesen zu bringen. Alle Studien zeigen ja ganz brutal, dass Kinder, denen im Vorschulalter vorgelesen wurde, sich später beim Lesenlernen leichter tun. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Lesesozialisation in der Familie – also ob die Eltern den Kindern vorgelesen haben – und dem schulischen Erfolg. Vorlesen ist eine der wichtigsten Fördermaßnahmen für Kinder.

Die PISA-Studie stellt österreichischen Kindern in Sachen Lesekompetenz kein gutes Zeugnis aus. Liest die Jugend immer weniger?

GERHARD FALSCHLEHNER: Es mag überraschen, aber die deutsche JIM-Studie, die seit 20 Jahren den Markt beobachtet, zeigt ein anderes Bild: Das Leseverhalten der Kids ändert sich nicht. Wenn man Kinder fragt, wie viel sie in der Freizeit lesen, sagen stabil knapp 35 bis 40 Prozent, dass sie in der Freizeit regelmäßig lesen – das war früher auch so. Es ändert sich nur die Zeit, die man mit Büchern verbringt. Die Lesezeit verschiebt sich zugunsten des Internets. Mit den digitalen Medien lesen und schreiben Kinder heute so viel wie nie zuvor. Aber auch beim Buchlesen gibt es keine signifikante Verschlechterung.

Welche Bücher würden Sie Lesemuffeln empfehlen?

GERHARD FALSCHLEHNER: Ganz handlungsstarke, rasante Bücher mit viel Action.