Ein kurzer Blick ins Bücherregal für Erziehungsratgeber genügt: Themen wie Aufbau von Wissen und Intelligenztraining für Kinder sind schon ab jüngsten Jahren zahlreich vorhanden. Und natürlich möchten Eltern ihrem Spross den bestmöglichen Start ins Leben ermöglichen. Doch lässt sich Intelligenz überhaupt erlernen? Experten sind sich einig: Intelligenz ist zwar zu einem bestimmten Grad genetisch veranlagt, doch die Anreize, die Eltern ihren Kindern setzen, wirken in Sachen Intelligenzentwicklung Wunder. „Schätzungen zufolge gehen Unterschiede in der Intelligenz zu 50 Prozent auf genetische Unterschiede zurück“, sagt Roland Grabner, Begabungs- und Lernforscher an der Universität Graz. „Das ist aber eine statistische Schätzung. Wie groß das Intelligenzpotenzial von einzelnen Personen ist, lässt sich daraus nicht ableiten.“ Fest stehe jedenfalls, dass sich das genetische Potenzial nur in einer anregenden Umwelt und bei entsprechendem Lernangebot entwickeln kann. „Ein Kind, das optimal gefördert wird, aber nicht so intelligent ist, wird bessere Leistungen erbringen als ein intelligentes Kind, das wenig gefördert wird.“

Doch was ist Intelligenz? „Die Fähigkeit zum Denken, Lernen und Problemlösen“, so Grabner. Daneben gebe es natürlich noch andere Fähigkeiten. „Es ist absolut wichtig, dass man auf alle Begabungsfacetten achtet, auch musikalische oder sportliche, und möglichst viele Angebote wahrnimmt.“

Wie sich Kinder entwickeln, ist zwar zu einem gewissen Grad individuell, doch bestimmte Abläufe sind allen gemeinsam. „Nach der Geburt gibt es extrem viele synaptische Verbindungen im Gehirn, mehr als beim Erwachsenen. Danach werden jene Verbindungen, die häufig gebraucht werden, gestärkt, alle anderen eliminiert.“

In den ersten beiden Lebensjahren lernen Kinder vor allem über Sinneswahrnehmungen und Bewegungen, „danach wird die Sprache immer wichtiger“. Deshalb sei es wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern über viele Dinge sprechen. „Die Sorge, dass das Kind in einem bestimmten Alter bestimmte Dinge können müsse, ist unnötig“, sagt Grabner, und beruhigt: „Die Entwicklung verläuft in Phasen, nicht linear.“

Welche Chancen haben Einstein-Eltern auf einen Einstein-Junior? „Genetisch ist das eher unwahrscheinlich. Das wäre, als hätten sowohl beide Elternteile als auch der Nachwuchs im Intelligenz-Lotto gewonnen.“

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