Frau Ministerin, haben Sie sich schon an die Anrede gewöhnt?

PAMELA RENDI WAGNER: Nein, es ist nicht meine erste Priorität, dass ich mich an die Anrede gewöhne. (lacht)

Wenn die Koalition platzt, sind Sie im Herbst wieder Sektionschefin. Vielleicht ist es besser, sich nicht daran zu gewöhnen?

PAMELA RENDI WAGNER: Ich bin Fachärztin für Tropenmedizin mit dem Spezialgebiet Impfprävention und war 2011 sehr glücklich, als ich die Gestaltungsmöglichkeit durch die Sektionsleitung bekommen habe. Ich habe zwei Jahre eng mit Sabine Oberhauser zusammengearbeitet. Die traurigen Umstände, wie es zu dieser Veränderung kam, waren nicht geplant. Bis zum Ende der Legislaturperiode ist noch viel zu tun,

Der politische Gegner attestiert Ihnen hohe Kompetenz als Gesundheitsexpertin. Sie sind auch Frauenministerin, ausgerechnet unter den SPÖ-Frauen gab es ein Murren. Verstehen Sie das?

PAMELA RENDI WAGNER: Ich finde es gut, dass Frauenorganisationen, die Jahrzehnte für die Rechte der Frauen gekämpft haben, sich genau anschauen, wer neue Frauenministerin wird. Alles andere wäre seltsam. Für mich ist es eine große Freude, dass ich am Frauentag angelobt wurde.

Mikl-Leitner hat einmal geklagt, dass immer nur Frauen, nie Vätern die Frage gestellt wird, wie sie den täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen. Sie haben zwei aufgeweckte Töchter, die noch länger nicht aus dem Haus sind.

PAMELA RENDI WAGNER: Ja, das hoffe ich.

Wie wollen Sie das angehen?

PAMELA RENDI WAGNER: Das kann ich nach wenigen Tagen noch nicht beurteilen. Ich nehme nicht an, dass diese Tage exemplarisch für die nächsten 18 Monate sind.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie da ein in einer Vorbildrolle sind, weil Sie eine Frau sind, die diese gläserne Decke durchstoßen hat?

PAMELA RENDI WAGNER: Ich bin in einer privilegierten Position. Es muss unser Ziel sein, dass wir es allen Frauen ermöglichen, Beruf, Familie, Kinder unter einen Hut zu bringen. Das darf nicht nur auf den Schultern der Frauen lasten. Wir müssen den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtung und der Ganztagsschule vorantreiben. Wir müssen das zweite Gratis-Kindergarten-Jahr umsetzen.

Wird Ihr Mann ein bisschen kürzertreten?

PAMELA RENDI WAGNER: Man muss sich gut mit dem Lebenspartner abstimmen. Es ist eine Frage der Organisation, es ist ein Geben und ein Nehmen. Mal arbeitet der eine mehr, und der andere ist mehr für den Einkauf und die Kinder zuständig und mal umgekehrt. Es muss möglich sein, Ministerin in diesem Lande zu sein und Kinder zu haben.

Sie betreten verbrannte Erde: Die Ärztekammer schießt seit Monaten scharf gegen das geplante Primärversorgungsgesetz und hat die Ärzte aufgewiegelt. Haben Sie schon einen Plan, wie Sie diese Wogen glätten wollen?

PAMELA RENDI WAGNER: Ziel muss es sein, dass sich das Gesundheitssystem an den Menschen orientiert, nicht umgekehrt. Das ist essenziell, das ist vielleicht über die Jahre in den Hintergrund gerückt. Das Rad der Zeit hat sich weitergedreht. Wir brauchen eine moderne, zeitgemäße Primärversorgung, also eine Gesundheitsversorgung, die den Menschen dient. Sie soll nahe am Wohnort und zeitlich gut verfügbar sein.

Sie haben angedeutet, der Patient stand bisher zu wenig im Mittelpunkt. Heißt dass, der Arzt stand zu sehr im Mittelpunkt?

PAMELA RENDI WAGNER: Das habe ich nicht gesagt. Das Gesundheitssystem muss sich dem Wandel der Zeit anpassen. Wir haben andere Bedürfnisse, und wir brauchen strukturelle Veränderungen. Kürzere Wege, einen besseren Austausch unter Ärzten in Netzwerken oder Zentren. Es muss für Patienten möglich sein, dass sie nicht fünf Termine bei verschiedenen Fachärzten und Therapeuten ausmachen müssen. In einem Netzwerk ist eine viel leichtere Orientierung möglich.

Wie wollen Sie den Widerstand der Ärztekammer brechen? Durch Zuckerbrot oder Peitsche?

PAMELA RENDI WAGNER: Wir liegen in der Sichtweise nicht so weit auseinander. Auch die Ärztekammer ist an einer Modernisierung interessiert. Von ihrem Standpunkt aus drehen sie die eine Schraube vielleicht mehr in die eine als in die andere Richtung.

Das andere sind die Probleme, die Patienten Tag für Tag erleben: untragbare Wartezeiten bei Fachärzten oder MR-Untersuchungen, das Gefühl, nur noch bei Privatärzten gut betreut zu werden. Wo wollen Sie hier ansetzen?

PAMELA RENDI WAGNER: Das ist ein inakzeptabler Zustand. Es ist inakzeptabel, wenn Leute, die privat bezahlen, kürzere Wartezeiten haben als andere. In der Frage der CT/MRT-Untersuchungen laufen Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern Sozialversicherung und Wirtschaftskammer. Wenn es nicht gelingt, auf dem Verhandlungsweg eine Verkürzung der Wartezeiten zu erreichen, werde ich einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Ist es denkbar, dass es unter der Bundesministerin Rendi-Wagner eine Impfpflicht gibt?

PAMELA RENDI WAGNER: Wir haben ein aktuelles Thema, Stichwort Masern. Wir haben in den ersten zwei Monaten doppelt so viele Fälle wie im letzten Jahr, gerade in der Steiermark.

Was ist die Ursache? Die schlechte Grazer Luft?

PAMELA RENDI WAGNER: In Österreich werden Kinder zu spät und zu inkonsequent geimpft. Wir sehen bei den Erwachsenen große Impflücken. Das gilt auch für das Gesundheitspersonal, und gerade diesen Missstand müssen wir beheben. Mögliche Lösungen dafür sehen wir uns gerade an.

Ist eine Impfpflicht für das Krankenhauspersonal denkbar?

PAMELA RENDI WAGNER: Aus meiner Sicht ist es notwendig, dass das Gesundheitspersonal geimpft ist. Die Möglichkeit muss man rechtlich genau geprüft. Es geht hier um einen Eingriff in die körperliche Integrität. Es muss aber auch sichergestellt sein, dass sich Patienten nicht beim Personal anstecken,

Was schwebt Ihnen im Bereich der Prävention vor? Die Leute werden immer älter, aber sind dafür auch sehr lang krank. Österreich ist Nachzügler. Wie das?

PAMELA RENDI WAGNER: Das müssen wir beheben, denn sonst verbringen die Österreicher trotz steigender Lebenserwartung immer mehr Zeit in Krankheit. Ich will, dass sie nicht nur länger, sondern länger gesund leben.

Was ist die Ursache? Essen die Leute zu viel Wiener Schnitzel?

PAMELA RENDI WAGNER: Dafür gibt es viele Ursachen. Sie können das nicht nur auf den Lebensstil abstellen. Wir müssen es den Leuten leichter machen, sich gesünder zu ernähren, Bewegung zu machen, gesunde Arbeitsplatz-Bedingungen vorzufinden. Zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf die Gesundheit zählt Bildung. Bildungsnahe Schichten leben gesünder, bildungsferne Schichten haben schlechtere Gesundheits-Chancen.

Was ist mit einer Zuckersteuer?

PAMELA RENDI WAGNER: Das ist derzeit für uns kein Thema. Da gibt es einige internationale Erfahrungen, die nicht so erfolgreich waren.

Kommt das Rauchverbot in der Gastronomie 2018?

PAMELA RENDI WAGNER: Ganz sicher.

Wird es ausgeweitet?

PAMELA RENDI WAGNER: Im Frühling 2018 tritt das Rauchverbot in der Gastronomie in Kraft. Das ist ein wichtiges Vermächtnis von Sabine Oberhauser.

Sie haben eng mit Oberhauser zusammengearbeitet, jetzt haben Sie ihr Büro übernommen. Wie geht es Ihnen damit?

PAMELA RENDI WAGNER: Die zeitliche Nähe zum Ableben von Sabine Oberhauser, mit der ich intensiv zusammengearbeitet habe, ist sehr schwierig. Es ist nicht leicht, über das hinweg zu sehen. Es sind für uns alle schwierige Tage.