Sie haben einen Scheidungsratgeber für Frauen geschrieben. Was machen Frauen falsch?
Helene Klaar: Sie sind relativ harmoniesüchtig und wollen auch bei der Scheidung nicht streiten. Und Frauen denken vielleicht zu wenig darüber nach, wie es nach der Scheidung weitergeht.

Was ist heutzutage der häufigste Scheidungsgrund?
Natürlich ist es ein relevanter Scheidungsgrund, wenn ein Partner jemand anderen gefunden hat, mit dem er lieber leben möchte. Das hat es immer gegeben und wird es immer geben. Aber der häufigste Scheidungsgrund ist eigentlich die Belastung durch das zweite Kind.

Sind es eher die Männer oder Frauen, von denen der Wunsch zur Scheidung ausgeht?
Frauen haben auch den Wunsch nach einer Trennung, wenn der Ehemann mühsam ist. Das war früher, in den 70er- und 80er-Jahren, aber sogar stärker. Da hatten wir noch Vollbeschäftigung und die Mieten waren erschwinglich. Frauen müssen sich heute zunehmend mehr gefallen lassen, weil sie sich eine Scheidung eigentlich gar nicht leisten können. Daher geht der Wunsch nach einer Trennung eher von den Männern aus, die halt im Laufe einer Ehe, besonders wenn es Kinder gibt, draufkommen, dass das viel Arbeit und Einschränkung ist. Neulich hat ein vierfacher Vater bei einer Vernehmung gemeint, dass er die Ehe als unbefriedigend empfindet, weil er nicht mehr Trompete spielen konnte.

Gehen Ihnen diese Schicksale noch nahe?
Ich empfinde immer mit meinen Klienten mit. Und natürlich empört es mich, wenn ich so etwas höre, weil ich mir ausmale, zu was allem die vierfache Mutter, die noch dazu die ganze Zeit berufstätig war, nicht gekommen ist. Vom Ausschlafen bis zum Klogehen oder einem Friseurbesuch. Da geht mir schon „das Taschenfeitl im Sack auf“. Was mich immer ein bisschen erschreckt, ist diese völlige Abwertung des anderen Teils bei einer Scheidung. So, als ob man sich nie geliebt hätte.

Wann ist es an der Zeit zu gehen? Wenn die Liebe abgenommen hat?
Das halte ich für viel zu wenig für die Unannehmlichkeiten einer Scheidung. Außer man hat jemand anderen, in den man verliebt ist, und man kann es sich leisten. Wenn man jemanden hat, bei dem man wieder Schmetterlinge im Bauch verspürt, warum neben einem faden Sack ausharren? Dann: Nur zu! Am anderen Ende der Skala ist eine Scheidung notwendig, wenn man es selbst nicht mehr aushält und zum Beispiel psychosomatisch reagiert. Natürlich sollte man sich trennen, wenn der Ehemann zu Frau oder Kindern gewalttätig ist, psychische Gewalt ausübt, psychisch krank oder drogenabhängig ist.

Welchen Rat würden Sie mit all Ihrer Erfahrung Hochzeitspaaren auf den gemeinsamen Weg mitgeben?
Dass sie sich nicht zu romantische Illusionen machen sollen. Wenn beide 40 Stunden arbeiten und man ein Kind hat, keine Nacht schlafen oder einfach einmal ins Kino gehen kann. Wenn man nur mehr mit Menschen sozial verkehren kann, die auch kleine Kinder haben, und nur an flache Sandstrände auf Urlaub fahren kann, dann ist das zwar eine Einschränkung, aber sie währt nicht ewig. Ich glaube, es ist immer noch diese maßlose Enttäuschung, dass Kinder nicht so einfach zu handhaben sind wie in der Pampers-Werbung. Ich würde ihnen sagen, dass das wirklich nur eine vorübergehende Phase ist und es nachher auch ein Leben gibt.

Sie sind verheiratet und Mutter. Was haben Sie richtig gemacht?
Irgendwie haben wir die Bereitschaft gehabt, das gemeinsam zu bewältigen. Aber ich habe schon den Eindruck, dass die Einschränkungen auf meiner Seite größer waren. Weil mein Mann viel auf Dienstreise war und wenn er auf Dienstreise war, war er eben nicht da. Ich hab das auf die schöne Formel gebracht: Mein Mann hat getan, was er konnte, und ich habe getan, was geschehen musste.

Was war der abstruseste Vorwurf, den Sie je gehört haben?
Sehr nett war ein älterer Mann, der offenbar ein Potenzproblem hatte und bei einer jungen serbischen Hilfsarbeiterin wieder in Fahrt gekommen ist. Er hat bei der Scheidung erklärt, seine Frau hätte ihm „seine Männlichkeit gestohlen“. Da war es schwierig, ernst zu bleiben.

Haben Sie einen Rat für Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich scheiden zu lassen?
Man muss überlegen: Wie kann ich danach menschenwürdig leben? Wir haben eine Lebenserwartung von 83, wenn man sich also mit 40 scheiden lässt, hat man vielleicht noch 43 Jahre in Armut vor sich. Die Scheidung hat eine emotionale Seite, die unangenehm genug ist. Sie hat aber auch eine wirtschaftliche Seite, die man ernst nehmen muss. Ich sage: Wenn schon die Liebe weg ist, soll wenigstens die Kassa stimmen.