Überraschungen gibt es immer. Aber mit Luigi Heinrichs Tipps liegt man für gewöhnlich goldrichtig. Unsere Oscar-Experte hat eine gute Nase für die Kino-Vorlieben der 7000 Academy-Mitglieder, die über Wohl und Wehe der Oscar-Nominierten entscheiden. Die Erfahrung lehrt uns: Der Mann, der seit vielen, vielen Jahren mit Hollywood-Größen vor und hinter der Kamera bestens vertraut ist, hat meistens recht.

Bevor die größte Show von Hollywood heute Nacht über die Bühne geht: Das sind seine Tipps für die Oscar-Preisträger in den wichtigsten Kategorien.

Filmexperte Luigi Heinrich (r) im Gespräch mit Hollywood-Größe Billy Wilder
Filmexperte Luigi Heinrich (r) im Gespräch mit Hollywood-Größe Billy Wilder © L.H.

Beste Nebendarstellerin

Die 51-jährige Viola Davis aus South Carolina, die ihr Handwerk in Rhode Island lernte, ist für eine hohe Kino-Auszeichnungmehrals fällig. Vielleicht lacht ihr das Glück in diesem Jahr, für ihre Leistung in „Fences“ (da war Denzel Washington ihr Partner und Regisseur). Schon 2012 war sie als beste Hauptdarstellerin (in „Help“) für den Oscar nominiert, aber letztendlich musste sie sich damals der unvergleichlichen Meryl Streep geschlagen geben. Immerhin erhielt Viola 2015 für ihre Darstellung als ehrgeizige Rechtsanwältin in der Krimiserie „How to Get Away with Murder“ als erste afroamerikanische Schauspielerin den höchsten Fernsehpreis Emmy (in der Kategorie beste Hauptdarstellerin in einer Dramaserie).
Alternative:Michelle Williams für „Manchester by the Sea“.

Viola Davis, hier mit Denzel Washington in "Fences"
Viola Davis, hier mit Denzel Washington in "Fences" © David Lee

Bester Nebendarsteller

Beim ersten Hinhören ist das ein vielleicht unbekannter Name, aber gar so unbekanntist er nicht,wirkte der 43 Jahre alte Mahershalalhashbaz (so heißt er mit seinem gesamten Vornamen wirklich) doch bereits in diversen quotenträchtigen Fernsehserien(„ NewYorkCops“, „CSI: Den Tätern auf der Spur“ oder, seit 2013, „House of Cards“) mit. Und außerdem hat Mahershala Ali auch diverse Kinohits wie „Die Tribute von Panem“, Teile eins und zwei, oder „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ mit Brad Pitt, gelandet. Seine Leistung alskubanischer Einwanderer und Drogenhändler in „Moonlight“ hat ihm schon vor der Oscar-Nominierung mehrere Auszeichnungen beschert, darunter den Los Angeles Film Critics Association Award und den London Critics’ Circle Film Award.
Alternative:Michael Shannon für „Nocturnal Animals“.

Alex Hibbord, Mahershala Ali in "Moonlight"
Alex Hibbord, Mahershala Ali in "Moonlight" © AP

Beste Schauspielerin

Kommt es zum sehr wahrscheinlichen Preisregen für „La La Land“, dann kann man auch die 28-jährige Emma Stone nicht übersehen, die bereits beim Festival in Venedig zur besten Hauptdarstellerin gekürt und auch mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Emma (spielte in beiden „Spiderman“- Filmen mit Andrew Garfield, mit dem sie auch liiert war) heißt eigentlich Emily. Doch als sie sich bei der Screen Actors Guild registrierte, bemerkte sie, dass dieser Name bereits vergeben war. Also wurde sie zu Emma. Sie fiel immer auch durch ihre tiefe, heisere Stimme auf. Das kommt daher, dass sie als Baby eine Kolik hatte und im Säuglingsalter an dauerhaften Schreiattacken litt, die zu Stimmlippenknötchen führten.
Alternative: Isabelle Huppert, obwohl „Elle“ gar kein englischsprachiger Film ist.

Emma Stone in "La La Land"
Emma Stone in "La La Land" © KK

Bester Schauspieler

Sein großer Bruder Ben Affleck hat beim Oscar schon zwei Mal zugeschlagen, einmal als Drehbuchautor („Good Will Hunting“), einmal als Regisseur des besten Films („Argo“). Nun könnte der Jüngere am Zug sein, für seine famose Leistung als depressiver Hausmeister mit dunkler Vergangenheit in Kenneth Lonergans „Manchester by the Sea“. Für Casey Affleck war es „eine große Herausforderung, ein derartiges Maß an Selbsthass und echtem Leid in mir zu finden und rüberzubringen“. Mit dieser düsteren Rolle hatte er auch einen großen Vorteil: „Ich konnte am Morgen mit einer Stinklaune am Set erscheinen, und alle haben es total verstanden und es mir nicht übel genommen.“
Alternative:Denzel Washington als ehemaliger Baseballspieler in „Fences“.

Casey Affleck in 'Manchester By The Sea'

Beste Regie

Es müsste ja eigentlich normal sein, dass der, der den besten Filmgemacht hat, auch bester Regisseur ist. Doch die Academy hat schon oft anders entschieden. In diesem Fall aber: Alle Augen auf Damien Chazelle, der mit „La La Land“ erst seinen dritten Spielfilm (nachdemJazz- Musicalfilm „Guy And Madeline on a Park Bench“ und „Whiplash“) gefertigt hat. Übrigens: Das Drehbuch zu „Whiplash“ stand lange auf der „schwarzen Liste“, am Ende jedoch gab es 2015 drei Oscars. Bei „La La Land“ (insgesamt 14 Nominierungen) istChazelle auch für das beste Drehbuch in aussichtsreicher Position. Der Film hat übrigens im Vorjahr das Festival in Venedig eröffnet und bisher mehr als hundert Auszeichnungen erhalten.
Alternative: Barry Jenkins für „Moonlight“.

Damien Chazelle

Bester Film

Der französische Meisterregisseur Jacques Demy hatte in den Sechzigerjahren des vorigenJahrhunderts mit „Die Regenschirme von Cherbourg“ und „Die Mädchen von Rochefort“ (beide mit Catherine Deneuve in der Hauptrolle) einen ganz außergewöhnlichen Filmstil kreiert: gesungene Dialoge und unvergleichliche Farbdramaturgie. Der erst 32-jährige Damien Chazelle aus Providence, Rhode Island, heftet sichnunerfolgreichan seine Spuren. Just in Zeiten wie diesen ist das Publikum wohl besonders dankbar für eine romantische Lovestory wie diese – mit viel Musik und schönen Farben. „La La Land“ (in Österreich bisher nahezu 143.000 Zuschauer) sollte heuer der große Abräumer werden.
Alternative:„Manchester by the Sea“.

Filmausschnitt von "La La Land"

Bester Auslandsfilm

Man war mit großen Hoffnungen zu den Golden Globes gereist, doch Paul Verhoevens „Elle“ machte der deutsch-österreichischen Produktion "Toni Erdmann" einen Strich durch die Rechnung. Dafür hat es beim Europäischen Filmpreis geklappt. Große Hoffnung, dass auch aus dem Oscar was wird, weckt die Tatsache, dass die Amis auf den Film bereits sehr positiv reagiert haben und ein US-Remake mit Jack Nicholson als „Tony Earthman“ planen. „Elle“ kann diesmal nicht dazwischen kommen, weil Verhoevens Opus gar nicht für den Oscar nominiert wurde (Hauptdarstellerin Isabelle Huppert hingegen schon). Wäre ja wirklich zu schön, wenn Peter Simonischek das goldene Männchenim DolbyTheatre in L.A. „stemmen“ könnte.
Alternative: „The Salesman“, ein Drama aus dem Iran, inszeniert von Asghar Farhadi.

Peter Simonischek in "Toni Erdmann"