Ja, wenn Ihro Majestät erscheint, haben sich alle Untertanen zu erheben, sogar Hermann I., Landesfürst zu Graetz. Also huldigt das Publikum im Schlosspark von Schielleiten dem Kaiser stehend. Der ist gekommen, um zu sehen, wie es bei der Generalprobe zu seinem Hochzeitsfest vorangeht. Schon ganz gut, behauptet Wenzel Eusebius von Lobkowicz, auch wenn er innerlich flucht, denn der Pferdenarr Leopold I. hat ihm ein Rossballett in die schon fast fertige Zeremonie hineindiktiert.

Thomas Höft nutzte die pompösen Feierlichkeiten anlässlich der Vermählung des „Türkenpoldls“ mit der spanischen Infantin Margarita Teresa anno 1667 in Wien als Folie für das Kernprojekt der heurigen styriarte. Als Obersthofmeister Lobkowicz führt der Regisseur nun selbst mit keckem Witz durch sein Opernpasticcio, das mit eleganten Pferdeballetten so richtig auf Trab kommt.

Ein Jahr lang wurde 16 Andalusierhengste der Reitschule Epona nahe Budapest auf die vier Auftritte im Rhythmus von Johann Heinrich Schmelzers fünf „Balletti à cavalli“ vorbereitet. Ein Laie vermag sich gar nicht vorzustellen, wie viel Arbeit hinter den von Dorottya Borsó choreographierten Übungen steckt: nobler Seitengang, tänzelnde Piaffe, schwebende Passage, bockspringende Kapriole, Levaden auf den Hinterbeinen... All das zeigten die ungarischen Pferde und Reiter bei der Premiere mit beeindruckender Anmut. Dass so ein Ballettmotor mit 16 PS da und dort allerdings auch stottern kann, liegt in der Natur der Sache. Manche Pferde wurden wohl auch von der großen Zuseherkulisse auf den beiden Seitentribünen nervös gemacht. Und wer Tierdressur fragwürdig findet, mag sich insgeheim über jenen Sturschädel gefreut haben, bei dem man fast „Es ist ein Ross entsprungen“ anstimmen hätte müssen.

An der Stirnseite des Reitplatzes ist die Bühne platziert, von Ausstatterin Lilli Hartmann wie aus grellbunten Papiertheater-Bastelbögen geschnitten. Auf ihr wird die Geschichte von Herkules erzählt: Der stiehlt (wie auch anders im steirischen Apfelland?) lieber die goldenen Äpfel als die rosigen Töchter von König Hesperos, um sie dem Herrscherpaar mit tiefem Diener vor die Füße zu rollen.



Ausgerechnet Flavio Ferri-Benedetti zeigte sich in der Titelrolle, man muss es in dem Zusammenhang leider so sagen, wenig sattelfest, der italiensche Countertenor enttäuschte. Aber mit Jochen Kupfer als Titan Hesperos, Julla von Landsberg als Blumenkind Margarita und vor allem Tenor Daniel Johannsen als Kaiser Leopold bot man feine Solisten auf. Schon bei der Intrada fand der Trompeten Consort Innsbruck zu festlichem Glanz. Und die Neue Hofkapelle Graz lief bei Pretiosen von Antonio Cesti, Francesco Cavalli & Co zu Hochform auf. Das exquisite Ensemble um die Geigerin Lucia Froihofer und den Cembalisten und Flötisten Michael Hell brachte bei den Intermezzi mit Dudelsack, Jodlern und Juchazern zudem lustvoll ste|irische Noten ein. Martin Schober und Thomas Gartner, wie alle in prachtvollen Kostümen, spielten hofnärrisch Riese und Zwerg.

Ein so stimmiges wie stimmungsvolles Spektakel, das bei (no, na!) Kaiserwetter schon mit köstlichen Entrées begonnen hatte. Wer wollte, konnte sich an Cidre oder Champagner laben, für ein steirisches Gröstl oder – Viva Margarita! Viva España! – für eine Paella im „Gasthaus zum Apfelbaum“ einkehren. Über die wunderbare Schlossanlage malte der Abendhimmel sein Azur, die Grillen in den Gebüschen übten unermüdlich ihren Soprano Continuo, und am Weiher tanzten sogar die Forellen zu kleinen barocken Ohrenhappen.

Der finanzielle, personelle, organisatorische, logistische und technische Aufwand für „La Margarita“ bis hin zum raffinierten, erstmals bei einem österreichischen Festival eingesetzten Soundsystem „Amadeus“ war enorm. Aber für die Zeit nach Nikolaus Harnoncourt sucht die styriarte eben ein neues Profil, neue Herausforderungen. Resümee über diese Eigenproduktion in zwei Worten: gewagt, gewonnen.