In den Wettbüros zeichnet sich dieses Bild ab: Israel gewinnt mit "Wuchtbrummer" Netta Barzilai das erste Halbfinale, auf den weiteren Plätzen der Aufsteiger folgen Zypern, Estland, Tschechien, Bulgarien, Griechenland, Österreich (also Rang sieben!), Lithauen, Armenien und Belgien.

Doch hat man die Proben in der Altice Arena verfolgt (knapp 12.000 Besucher werden es bei den Live-Shows sein, also ähnlich wie in Wien 2015) und kennt so manche "Ungesetzmäßigkeiten" des ESC, wird es Überraschungen geben - auch in Anbetracht des Umstands, dass durch die heuer fehlende LED-Wand der Fokus wieder mehr auf der Musik und nicht dem bombösen Video-Spektakel liegt, das in den letzten zwei Jahren den Zuschauer immer wieder erschlagen konnte.
Umgekehrt gesehen wirken manche Auftritte durch die fehlende Technik-Ablenkung heuer wie bei einer Carmen-Nebel-Show im ZDF, die bieder daherkommen und die Langeweile eines Lieds unterstreichen.
Die Reduktion bzw. die Rückbesinnung auf frühere Zeiten wird von vielen für gut geheißen, es gibt jedoch auch kritische Stimmen. Geschrumpft sind dadurch zweifellos der Entertainment- und Fun-Faktor. Finland (am Start mit dem hysterischen Song "Monsters") hat jedenfalls gleich seine eigene Mini-Bühne mitgebracht, um von der dumpfen Komposition abzulenken.

Meine Prognose, die zumindest in zwei Fällen den Top 10 der Wettbüros widerspricht:

Irland berührt endlich wieder einmal und schafft den Sprung ins Finale. "Together" wird als Abschieds-Liebeslied wirklich berührend und zauberhaft umgesetzt. Und Ryan O'Shaugnessy sollten die Herzen zufliegen.

Weißrussland zieht ebenfalls ins Finale ein. Sänger Alekseev hat einen Moment, wo sein Timbre an George Michael erinnert. Die Inszenierung mit der Rose ist zudem eine reizende Idee.

Die Schweiz ist ein Wackelkandidat, hat im Gegensatz zu den letzten Jahren aber eine dynamische Performance ("Stones") mit einem glaubwürdigen Geschwisterduo. Die Schweiz tut sich freilich mit "Freundeskreisen" in Europa schwer, vergleicht man deren ESC-Ergebnisse mit der Voting-Historie anderer Länder, etwa aus dem Norden oder aus dem Osten.

Wer fällt dann aber raus, obwohl er/sie bei den Buchmachern in den Top 10 liegt? ich glaube nicht an Estland und diese Mini-Oper im überdimensionalen Kleid, die sich selbst viel zu ernst nimmt. Cross-Over aus dem Klassikbereich ist nicht neu beim Song Contest, schon gescheitert ("La voix" für Schweden 2009) und auch dem Sieg nahe gewesen ("Grande Amore" für Italien 2015). Beim italienischen Trio Il Volo kamen damals allerdings Emotionen (und auch Testosteron) über den Bildschirm.
Armenien und Griechenland werden sich ebenfalls schwer tun, obwohl sie eine größere ESC-Lobby hinter sich bzw. mehr "Verbündete"haben als Estland. Griechenland wagt nach dem Plastik-Pop im Vorjahr zwar wieder etwas, das seiner Kultur und Tradition entspricht, schafft es mit "Mein Traum" (so die Übersetzung des Titels) jedoch nicht, Spannung oder längere Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Ready für das Semifinale: Redakteur Christian Ude mit César Sampson
Ready für das Semifinale: Redakteur Christian Ude mit César Sampson © ORF

Die Expertenjurys haben ihr Urteil übrigens schon gefällt. Aber deren Wertungen kennen nur ganz wenige Menschen innerhalb der EBU. Top secret bis morgen ca. 23 Uhr unserer Zeit. Einschalten also!

Hier zum Abschluss ein anschaulicher Vergleich ... Videoclip contra Live-Performance in Lissabons Altice Arena von allen Kandidaten des ESC 2018 inklusive der fix gesetzten Finalisten (Big 5 plus Gastgeberland Portugal)!