Es braucht eigentlich nur ein Wochenende, um den Sound der Welt zu verändern. Wobei: Sound klingt nach Schalmeienklängen, wir sprechen von der Antithese. Was eine Handvoll Briten im Mai 1968 an drei Tagen musikalisch fabriziert hat, hat auch 50 Jahre danach noch Gültigkeit. Im April fand man zusammen, im Mai fand man sich musikalisch, im Juli veröffentlichte man mit „Shades of Deep Purple“ das Fundament, auf das man vier Jahre später das musikalische Denkmal draufsetzte: „Machine Head“.

Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen, die Insider von den Outsidern – oder besser gefragt: Was versteckt sich hinter diesen beiden Worten? Das vermutlich beliebteste Passwort von Metal-Fans: „Smoke on the Water“. Ein Stück Hardrock-Geschichte. Oder wie Ian Gillan, Sänger von Deep Purple, zu sagen pflegt: „Es gehört längst nicht mehr uns, sondern ist zum öffentlichen Eigentum geworden.“ Seit damals erfreuen sich Generationen an E-Gitarren-Novizen, wenn sie dem Gitarrenhals diese ersten Töne abtrotzen können. Schwer ist das nicht, aber zumindest musikhistorisch schwer von Bedeutung. „Smoke on the Water“ war die erste große Ladung Dynamit, die sich entzündete.

Das ist so typisch für Musik: Viele arbeiten an der Lunte, aber einer legt das Feuer. Und so bilden Deep Purple gemeinsam mit Black Sabbath und Led Zeppelin das Trio Infernale des Hardrock. Alle drei Bands wurden 1968 gegründet und elektrisierten eine ganze Generation. Auch, weil das nötige Rüstzeug praktisch die Tür zur Hölle öffnen konnte: Mit einem Marshall-Verstärker klang Musik immerhin so, als würde eine ganze Kavallerie durch den Garten preschen.

Lautstärke war damals das wohl überzeugendste Argument der Jugend, um gehört zu werden. War das jetzt Hardrock? Nenne es, wie du willst, aber es ging damals um nichts weniger, als die alten, verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Dafür war es notwendig, die Erregungs-Amplitude immer weiter nach oben zu schrauben. „Heavy Metal Thunder“ ist eine Textzeile aus dem Steppenwolf-Klassiker von 1968: „Born to Be Wild“. Das darf man als Nucleus verstehen, dieser, ja, wie nennt man es? Bewegung? Nein, Lebenseinstellung. Oder besser: eine Liebe, der man ein Leben lang die Treue hält. So konservativ darf man ruhig sein.

Viele Bands von damals sind noch immer unterwegs, manche von ihnen auf – sehr ausgedehnten – Abschiedstouren. Das Publikum: mehrere Generationen. Das Verbreitungsgebiet: global. Die Nachwuchssorgen? Keine. Das weiß einer sehr genau, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat: Thomas Caser, Geschäftsführer von Napalm Records. Jenem auf Metal spezialisierten Plattenlabel, das 1992 vom gebürtigen Eisenerzer Markus Riedler quasi in dessen Jugendzimmer gegründet wurde. Heute hält man bei Niederlassungen unter anderem in Berlin und New York. Das Geschäft funktioniert, auch weil die Prägung auf die härtere Gangart nach wie vor funktioniert, so Caser: „Die Jungen, die auf diese Musik aufmerksam werden, rutschen mit den gleichen alten Helden rein wie wir auch – Metallica, Guns N’ Roses, AC/DC, Motörhead.“ Auch die alten Sachen würden bei den Jungen sehr gut ankommen. Es muss halt jeder irgendwann durch die Deep-Purple-Schule durch – wie auch Caser selbst.

Thomas Caser, Geschäftsführer von Napalm Records
Thomas Caser, Geschäftsführer von Napalm Records © Napalm Records


Der Unterschied zu Gleichaltrigen war bei ihm relativ schnell sichtbar und vor allem hörbar, so der 38-Jährige: „Wir sind zwar alle brav in die Musikschule gegangen, aber ich bin mit Metallica und AC/DC in Berührung gekommen und war fasziniert vom Rhythmus der Musik – der Gitarre, dem Bass und dem Schlagzeug. Für mich war vor allem die Rebellion in der Musik und weniger das Image wichtig.“ Irgendwann war das erste Schlagzeug unvermeidlich, die erste Band, die ersten selbst veranstalteten Konzerte und natürlich der Dresscode: „Die Metaller waren einfach die mit den langen Haaren, die haben die Jogging High, die ganz engen Jeans und die Lederjacken.“

Deep Purple sind noch immer auf Tour
Deep Purple sind noch immer auf Tour © EPA (KYRRE LIEN)

Zwar mag sich bei der Bekleidung wie bei den unterschiedlichen Ausprägungen der Musik in den letzten Jahrzehnten ein bisschen was getan haben, aber unterm Strich bleibt die Diagnose: Der Metal-Fan ist markentreu. Auch wenn Modekonzerne zuletzt immer wieder T-Shirts mit Schriftzügen großer Metal-Bands verkauft haben, kostet das den wahren Metal-Fan nur ein Schulterzucken.
Eine hohe Kunst in Zeiten permanenter öffentlicher Erregung und Aufregung. Er sitzt die Hypes, die Ups, die Downs, die Dos, die Don’ts unaufgeregt aus. Da kann der Zeitgeist noch so bitterlich heulen – er hört ihn nicht, es wird wohl die Musik zu laut sein.