Im Lauf des ersten Wochenendes beim Donaufestival begannen die Köpfe zu rauchen. Einerseits lag das an den Diskussionsveranstaltungen, wo darüber nachgedacht wurde, warum unserer Kultur das Gemeinschaftsgefühl abhandenkommt. Der Schuldige ist von Pop-Theoretiker Simon Reynolds längst ausgemacht: der digitale Solipsismus, das einsame Surfen durch Datenströme. Wobei solche intellektuell Interessierte an diesen Popdebatten ihre helle Freude haben können. Etwa, wenn der deutsche Theoretiker Jens Balzer den Kollegen Reynolds auf die Schwachen von dessen umjubelten Buch "Retromania" hinweist.

Dass die Vergangenheit schwer auf der Pop-Gegenwart lastet, darüber herrscht Einigkeit. Reynolds, der lange als Journalist gearbeitet hat: "Heute reden Bands in Interviews gern über Einflüsse. Früher tat man noch so, als wäre man auf das alles selbst draufgekommen." Und man tue sich, so der Tenor der Diskutanten, sich immer schwerer, Musik in Kategorien wie "progressiv" oder "reaktionär" zu unterteilen.

Atheistischer Gospel

Aber nicht nur das Diskutieren, auch das Hören ist in Krems ein Kraftakt. Etwa bei den recht brutalen Elektrosounds von Lotic, von denen man rechts-links abgewatscht wird. Ganz schön hantig war auch der Chicagoer Willis Earl Beal alias Nobody, der sich jeden Applaus verbat. Der Soulsänger inszeniert sich als Outsider-Künstler, lange Zeit hat er (angeblich) als Straßenmusiker gelebt. Applaus will er keinen, weil er seine Lo-Fi-Gospels als Selbstgespräche sieht. Ein schönes, passendes Bild. Denn seine Gospels finden keinen Trost mehr in Gott - da singt ein einsames Individuum.

Während Sonntagabend noch Großmeiser wie der einstige U2- und Bob-Dylan-Produzent Daniel Lanois auftraten, geht man ab Montag in eine Pause. Vom 4. bis 6. Mai steigt die zweite und letzte Runde beim Donaufestival 2018. Dann werden unter vielen anderen noch zu erleben sein: Jazz-Größe Matana Roberts, die Elektroniker Mouse on Mars, die Istanbuler Pop-Punker Jakuzi und die Extrem-Songwriterin Scout Niblett. Infos: www.donaufestival.at