Hipster, Wiener Kunstvolk und Popauskenner aller Generationen. Das Donaufestival zieht sie in Scharen an, weil man sich hier am Puls der Zeit wähnt, hoffen darf, die neuesten avancierten Pop-Sounds in geballter Ladung präsentiert zu bekommen. Was ein merkwürdiger Widerspruch ist, erkundet das Festival 2018 doch ausgewiesermaßen den Stillstand, die Frage, warum es keine Zukunftsentwürfe mehr gibt, weder gesellschaftlich, noch künstlerisch. Ein Befund, der im Rahmenprogramm auch breit diskutiert wird.

Klatschverbot in Dunkelkammer

Gemeinsamkeiten, die an den ersten Tagen auffielen: Die Konzerte laufen zu sehr düsterer Beleuchtung und die Künstler suchen kaum den Kontakt zum Publikum. Ein kurzes Winken am Ende des Konzerts ist schon das höchste der Gefühle, meist verschwinden die Musiker zum Schluss grußlos von der Bühne.  Willis Earl Beal alias Nobody trieb diese Verweigerung auf die Spitze: Der verbat sich jeden Applaus, weil er auf der Bühne gewissermaßen Selbstgespräche führe. Der Mann versteht ohnehin sich als Outsider zu inszenieren. Gern erzählt er, dass er früher als Straßenkünstler lebte, wobei die Stimmgewalt aus Chicago schon damals für einiges Aufsehen gesorgt haben dürfte. Die athetistischen Spirituals des Soulsängers sorgten in der Minoritenkirche jedenfalls für andächtiges Lauschen.

Junggenie aus Glasgow

Der Glasgower Technoproduzent Lanark Artefax gab aufs Festivalmotto von der abgesagten Zukunft und der "endlosen Gegenwart" eine gute Antwort. Seine hochverdichteten Sounds sind ein einziges Paradox. Sie wirken statisch und dynamisch zugleich, sind extrovertiert und kontemplativ im selben Moment. Zum Ende seiner Gehirndisko kreiert der Künstler eine grandiose Soundvision, deren Effekt von beeindruckenden Visuals potenziert wird. Erhaben.

Die als Grouper firmierende Liz Harris aus Portland, Oregon produzierte dagegen mit ihrem elektronisch gestützten Songwriting hallige Geistermusik, die verweht wie Kodensstreifen am Himmel: sehr aktuell in seiner Innerlichkeit und Poesie.

Die Altmeister des Postrock

Aber auch ein Blick in die Pop-Vergangenheit war erlaubt. Mit Godspeed You! Black Emperor lud man die Band, die um die Jahrtausendwende herum die spannendste der alternativen Popwelt war. In epischer Breite fabrizierten die Postrock-Altmeister aus Montreal ein strapaziöses, kompaktes Soundgeflecht, aus den hin und wieder eine vibratogesättigte Gitarrenmelodie herausragt. Ein überraschungsfreies, ohrenbetäubendes Set voll altneuem Rockpathos und politischem Sendungsbewusstsein, das dennoch, oder gerade deshalb, wunderschön geriet.

Mit der Amerikanerin LaurelHalo landete man wieder in der postmodernen Gegenwart. Fragmentierten Trip Hop, Kürzel aus Dub und House, Elemente aus Pop und Techno kompiliert die Künstlerin zu einer erfrischend leichtfüßigen Musik, die demonstriert, dass das virtuose Spiel mit dem Vorhandenen auch eine Möglichkeit sein kann, der Gegenwart ein wenig Zukunft abzutrotzen.