Ob es nun ein spontaner Geistesblitz der nach Umsatz dürstenden Marketing-Armada war, ob der blasse Brite einmal von seinem echtgoldveredelten Palazzo in der Toskana weg und zu seinem neuen Kumpel Shaggy nach Jamaica wollte - oder ob die leichte Muse beide Musiker gleichzeitig im Schlaf küsste: Man weiß es nicht. Fürwahr ein seltsames Paar, das man bislang nicht unbedingt in Verbindung brachte (war es gar eine Brieffreundschaft?) - doch das gemeinsame Kind ist da und hört auf den Namen "44/876".

Da ist auf der einen Seite Gordon Matthew Sumner, der sich während der letzten vier Jahrzehnte trotz des Künstlernamens Sting zu Weltruhm spielte und vor allem für seine Großtaten mit The Police in Erinnerung blieb. Ein Schöngeist, der gerne mit erlesenen Musikern und seinem Ego zusammen ist und mit 66 Jahren noch nicht ans Aufhören denkt. Auf der anderen Seite ist da der immer nach einer Nachspeise zu viel klingende Shaggy, 1968 als Orville Richard Burrell in Kingston geborener Spaßmacher, der Welt vor allem als womanizernder "Mister Boombastic" geläufig. Nun tat man sich für ein Album zusammen, das den Sommer und seine Frohlockungen beschwört. Eine sanfte Brise in Notenform, leichtfüßig wie ein im Morgenlicht balzender Spatz. Und nach Stings anmaßenden Lauten- und Orchesterwerken definitiv eine Wohltat.

Funktioniert es? Durchaus! "44/876" (benannt übrigens nach den internationalen Telefonvorwahlen der beiden Protagonisten) ist ein poppiger, spaßiger und gekonnt angerührter Cocktail aus feinen Dreiminütern. Sting hat das Songschreiben nicht verlernt, die meisten der zwölf Nummern klingen unweigerlich nach dem Tantra-Yogi und seiner frühen Geschichte mit The Police. Natürlich sind Titel wie "Morning Is Coming", "Don't Make Me Wait" oder "Just One Lifetime" kein Ausbund an Originalität, aber sie bleiben im Ohr kleben wie Sonnenmilch auf der Haut. Rastafari wird der Brite ebenfalls keiner mehr, doch dass er durchaus auch diese Spielart beherrschte, bewies er schon Ende der 1970er-Jahre - als er "Roxanne" anheulte wie ein Kojote den Mond.

Shaggy Sprechgesang findet wieder im zweiten Untergeschoss statt - gelernt ist gelernt. Sein Gegenüber übernimmt die melodiöseren Passagen und sorgt mit seinem rüstigen Falsett für den nötigen Kontrast. Man nimmt den beiden zweifellos ab, dass sie bei den Aufnahmen auf Jamaica ihren Spaß hatten, diverse Lohnmusikanten wie etwa Robbie Shakespeare sorgen für den regionaltypischen Reggae-Sound. All das ist selten tiefgehender als zwei Hand breit (am ehesten noch bei dem anklagenden "Crooked Tree"), doch es müssen auch nicht immer Nick Cave oder Radiohead sein.

Stellen Sie sich Ihren Liegestuhl auf den Balkon (und setzen sich hinein), sorgen Sie für die nötigen Kaltgetränke und nehmen Sie diese weitestgehend unpeinliche Platte nicht ernster als sie selbst es tut: Dann macht diese Angelegenheit "boombastic" Spaß.