Nächtelang tüftelte der Teenager Joseph Saddler an seinen Plattenspielern herum. Dass er später seine Abspiel-Technik als Grandmaster Flash auf Partys präsentierte, verhalf dem Hip-Hop zum Durchbruch. Für einige kam sein grober Umgang mit dem heiligen Vinyl allerdings einer Gotteslästerung gleich. Am 1. Jänner wird der DJ 60 Jahre alt.

Aus Sicht von Grandmaster Flash hatten die DJs, die in den 1970er Jahren in New Yorker Clubs auflegten, nicht besonders viel auf dem Kasten. "Es ist nicht ganz fair, die Platte einfach vom Anfang zu spielen, zu warten, bis sie endet und dann die nächste Platte dazu zu mischen", stellte der junge Mann aus der Bronx fest.

Auf der Suche nach neuen Wegen, um die Leute auf Partys zum Tanzen zu bringen, revolutionierte er den Einsatz von Plattenspielern und schuf Techniken, die im Hip-Hop bis heute zum Grundvokabular zählen.

Neben Größen wie Afrika Bambaataa und DJ Kool Herc stieg er zu den Gründungsvätern des Genres auf. Aber bis es so weit war, musste sich der Teenager Joseph Saddler nächtelang in seinem Schlafzimmer verbarrikadieren. 16, 17 Jahre war er da alt, und wenn sein Freunde abends auf eine Party gingen, war er manchmal so vertieft in seine DJ-Experimente, dass der Abend ohne ihn stattfand. "Bei einem Song wirst du tanzen, aber wenn ein Schlagzeuger für ein paar Sekunden dieses Solo-Ding macht, wird dein Körper aktiver", sagt Flash, der dem Hiphop-Radiosender "Hot 97 FM" vergangenes Jahr aus seinen frühen Tagen erzählte.

Auf der Suche nach diesem sogenannten Break durchkämmte er bergeweise Platten und grub sich dabei durch Pop, Rock, Jazz, Blues, Funk, Disco, R&B und Alternative - kurzum durch "alles, wo ein Schlagzeuger ein Solo hat". Bald gelang es dem aus Barbados stammenden Afroamerikaner, zwischen Titeln auf zwei gekoppelten Plattenspielern zu springen und den Takt dabei exakt zu halten ("cutting"). Auch die Manipulation der Abspiel-Geschwindigkeit ("phasing") und das "back-spinning", bei dem eine Platte händisch ein Stück rückwärts gedreht wird, um eine Passage nochmals abzuspielen, gelten als seine Erfindung.

Seine flinken Finger, mit denen er auf Partys in der South Bronx die Platten drehte, brachten ihm seinen Künstlernamen ein. Nicht alle feierten ab, wie vergleichsweise grob dieser Typ das heilige Vinyl anpackte. Andere DJs putzten ihre Platten mit Bürsten und schoben sie nach dem Abspielen brav in die Hüllen zurück, "super extra vorsichtig", wie Flash heute spottet.

Unkonventionell war auch, dass da einer selbst zugeschnittene, mit Stärkemittel besprühte Filzmatten auf die rotierenden Teller seiner Technics "SL23" legte, um den Widerstand zu verringern und Platten überhaupt erst rückwärts drehen zu können. Und er markierte den Einsatz von Breaks auf der Platte mit Wachsmalstiften. "Die Leute nannten mich einen Idioten, respektlos gegenüber Vinyl", erinnert sich Flash.

Auf den Partys dieser Zeit galt es als kleine Sensation, dass er die Plattenspieler wie ein eigenständiges Instrument spielte. Erst die sauberen Breaks schufen die Klanggrundlage für Rapper, um darüber ihre eigenen Texte zu reimen. Dass die DJs zuvor oft selbst zum Mikro griffen, wird heute gern vergessen. Kurtis Blow war 1977 einer der ersten, die zur Musik von Grandmaster Flash rappten.

"The Message" von 1982 mit den Furious Five gilt als einer der ersten Hip-Hop-Titel, die den harten Alltag im Großstadt-Ghetto beschreiben. Und er half dabei, Rap als künstlerisches Ausdrucksmittel zu etablieren. Wer mit Hiphop aufgewachsen ist, mag all das gefühlt noch im Vorgestern verbuchen. In Wirklichkeit ist Grandmaster Flash mit nun 60 Jahren vom heutigen Hiphop abgekoppelt, zwischen ihm und einem Future, Drake oder Kendrick Lamar liegen Welten. Seine erfolgreichsten Alben erschienen in den späten 1980er-Jahren.

Seine ehrgeizige Platte "The Official Adventures of Grandmaster Flash" von 2002 drehte sich dann auch schon um die Anfänge seines DJing. 2007 wurden er und die Furious Five als erste Rap-Gruppe überhaupt in die Rock'n Roll Hall of Fame aufgenommen. Bei all der Technik, die Musikern heute zur Verfügung steht, mag man sich manchmal nach diesen simplen Tagen zurücksehnen. Denn wenn ein Hit im Studio per Knopfdruck produziert werden kann, macht das auch wenig erfinderisch. Grandmaster Flash beschreibt die Sache so: "Bevor ich DJ bin, bin ich Wissenschafter."