Nach dem ersten Probentag zur Tournee, die am 23. Juni in Phoenix ihren Anfang nahm, twitterte Gitarrist Brian May: "Das könnte unsere beste Produktion überhaupt werden. Wir haben die beste Konzerteröffnung aller Zeiten!" Diese vollmundige Prognose galt es zu überprüfen, schließlich ist es ein Markenzeichen der Band, dass es zum Konzertbeginn erst mal minutenlang blitzt, flackert, grummelt und brummt, bevor live musiziert wird. Diesmal wird die Bühne von einer kinetischen Videowand verdeckt, die eine rostige Stahlmauer projiziert, hinter der es alsbald gehörig zu pumpern beginnt.

Obwohl es kein neues Album zu promoten gibt, ist die aktuelle Tournee dennoch anlassbezogen: Das sechste Studiowerk der Königlichen, "News Of The World", erblickte nämlich vor 40 Jahren das Licht der Welt, die Jubiläumsedition erscheint noch dieses Monat als reichhaltiges Box-Set. Besonders auffällig geriet dabei das Cover, auf dem ein überdimensionaler Roboter - von den Fans fortan Frank getauft - die vier Bandmitglieder in seiner Hand zerquetscht. Und eben der ist es, der so lautstark gegen die animierte Metallwand drischt, bis sie nachgibt. Es erscheint - als atemberaubender 3-D-Effekt - eine gigantische Pratze, die Richtung Publikum greift, dann lugt Frank aus dem frisch geschlagenen Loch hervor, packt die Videowand, hebt sie an und los geht's mit zwei Stunden weichmetallener Kultmusik, die im übrigen bis heute mit noch keinem einzigen Grammy geehrt wurde.

Die von einem mächtigen "Halo"-Lichtsystem ausgeleuchtete Spielwiese ist formal Brian Mays Selbstbaugitarre nachempfunden und gut 700 Quadratmeter groß, wobei der 21 Meter lange Gitarrenhals als publikumsnaher Catwalk dient. Beste Voraussetzungen also für eine spaßvolle State-of-the-Art-Retroparty, die nahtlos Hit auf Hit folgen lässt - mal orgiastisch laut, mal intim besinnlich -, aber auch Platz für willkommene Überraschungen geboten hätte: "It's Late" und "Spread Your Wings" standen zu Beginn der US-Tour noch auf der Setlist, in Wien leider nicht mehr. Dafür erlebten die live schon jahrzehntelang nicht mehr zu Gehör gebrachte Radl-Spaßhymne "Bicycle Race" (als Fragment und mit Adam Lambert am Blumenmädchen-Dreirad) und die liedgewordene Krawallinstallation "Get Down Make Love" ihre Renaissance. Sentimental wird's, wenn Mercury via Einspielung seine Auferstehung feiert und David Bowie mit der Koproduktion "Under Pressure" gewürdigt wird. Und Frank schaut immer wieder mal vorbei.

Queen live ohne Mercury (und auch ohne den pensionierten Bassisten John Deacon) könnte man mit einer großen Portion Bösartigkeit in den Bereich des Unnötigen und Peinlichen fabulieren. Es funktioniert aber wunderbar dank der unvermindert strahlenden Persönlichkeiten May (70 und mit einer Fingerfertigkeit wie ein Junger) und Roger Taylor (68 und mit einem verlässlich-soliden Beat wie eh und je) und wegen Adam Lambert (35), der seit fünf Jahren den Frontman-Part innehat. Er präsentiert sich als Fan, nicht als Mercury-Nachfolger, performt unangestrengt, selbstironisch, trifft mühelos die Töne und hat wohl mehr Kostümwechsel als Madonna. Ihm wird sogar Platz eingeräumt, eines seiner Solo-Liedleins zu intonieren - bestimmt ganz nett, aber irgendwann muss man auch mal pinkeln gehen dürfen. Und nicht zuletzt besteht auch die Nachfrage: Die kommenden 14 Termine in Großbritannien und Irland waren binnen einer Stunde ausverkauft - das sind rund 200.000 Tickets!

Die Chose endet nach den prominenten "News Of The World"-Klassikerzwillingen "We Will Rock You"/"We Are The Champions" mit viel Winke-Winke der Musiker im schneeweißen Schnipselregen, und auch der an sich bösartige Frank ringt sich zu einem Zwinkerer samt Lächeln durch. Entlassen wird die zufrieden wirkende Zuschauerschar zu den Klängen von Bowies "Heroes", das hervorragend zum "Champions"-Kontext des Abends passt.