Big Data, Quantifizierung, Algorithmen: Hat sich dieses Überthema fürs Elevate 2017 aufgedrängt?

DANIEL ERLACHER: Wie so oft haben wir das Thema letzten Sommer gewählt, noch bevor es richtig hochgekocht ist. Siehe Big Data, siehe die Algorithmen, die in Donald Trumps Wahlkampf eine Rolle gespielt haben sollen.

Sie arbeiten oft mit sperrigen Begriffen, untypisch für den sonst so hipnessorientierten Festivalbetrieb. Was ist denn z. B. die „Finanzialisierung“ der Natur, die Sie im Programm ansprechen?

ERLACHER: Das Wort Finanzialisierung stammt aus der Doku „Banking Nature“, die wir am Freitag (3. März, 22 Uhr, Forum Stadtpark) zeigen. Da geht es um Banken in der USA, die Natur, Tiere oder Nationalparks zu Spekulationsobjekten machen.

BERNHARD STEIRER: Dass unser Festivalprogramm sperrig wirken kann, kommt vielleicht von einer gewissen Ernsthaftigkeit und Demut vor den Themen. Wir wollen die Dinge in ihrer Komplexität wahrheitsgetreu rüberbringen, nicht verkürzen oder maskieren.

ERLACHER: Deswegen sind uns die Gäste auch sehr wichtig. Die müssen real, echt, fundiert sein, wie Evgeny Morozov, Francesca Bria, Konrad Becker. Und Elevate steht ja nicht nur für Information. Seit den Anfängen des Festivals geht es uns auch um die Darstellung von Alternativen. Wenn wir also über Big Data reden, dann auch darüber, wie man sich vor Überwachung schützen kann. Und das Diskursprogramm am Samstag zum Beispiel steht im Zeichen der Selbstermächtigung im Umgang mit Algorithmen.

Das Trio beim Interview im Styria Media Center
Das Trio beim Interview im Styria Media Center © Jürgen Fuchs

STEIRER: Solche Handlungsanleitungen sind immer Teil unseres Programms. Auch im Musikbereich. Dazu trägt auch der niederschwellige Ansatz bei, kein oder wenig Eintritt für weite Teile des Programms zu verlangen.

Bei Elevate kriegt man ja seit jeher zwei Festivals in einem, dank Diskursprogramm und Musikprogramm. Diesmal wurde auch noch der Kunstschwerpunkt verstärkt. Ein Versuch, die beiden Bereiche näher zu verschränken?

ROLAND ORESKI: Inhaltliche Verschränkungen hat es immer gegeben, auch wenn beide Teile unabhängig voneinander funktionieren. Für eine stärkere Verschränkung des Programms gibt es aber trotz unserer Bemühungen bisher keine Finanzierung. Artist Residencies zum Beispiel sind kostenintensiv, aber die Unterstützung ist in diesem Bereich jahrelang stehen geblieben. Heuer haben wir noch einmal entsprechende Anstrengungen unternommen, ohne Budgetklarheit zu haben.

ERLACHER: Es wird drei Kunstinstallationen geben. Zum Beispiel „Speculative Capital“ im ESC. Den Künstler Manuel Beltrán habe ich über das Festivalnetzwerk „We are Europe“ kennengelernt. Wir haben tolle Kontakte zu superspannenden Leuten und würden gerne einmal jemanden zu einem Auftragswerk einladen. Aber dafür haben wir kein Geld. Die Subventionen des Bundes etwa sind mit 23.000 Euro extrem niedrig, das ist ärgerlich. Seit sieben Jahren gab es keine existenzielle Erhöhung, heuer kamen über das Bundeskanzleramt nun immerhin 10.000 Euro mehr.

Welche Künstler würden Sie denn bei entsprechender budgetärer Ausstattung ansprechen?

ORESKI: Brian Eno zum Beispiel, Leute wie Cosey Fanni Tutti, Chris Carter, Gaspar Noé.

STEIRER: Die Kontakte haben wir. Und die Leute wären interessiert am Festival und daran, nach Graz zu kommen. Nur: Dafür bräuchten wir als Festival eine Null mehr im Budget. Die Chancen und Beziehungen sind da, es bräuchte nur einen Startschuss. Dass wir diese Chancen sehen, treibt uns nach wie vor an. Und durch die europaweite Festivalkooperation „We are Europe“ sehen wir ja auch die Möglichkeiten in der internationalen Festivallandschaft aus nächster Nähe.

Das EU-Projekt „We are Europe“ läuft 2018 aus. Und dann?

STEIRER: Es gibt Ideen, mit denen wir bei der EU anfragen.

Das Netzwerk wirkt?

ERLACHER: Ja, absolut. Es sind Kontakte und Partnerschaften entstanden. Wir waren im Vorjahr auf dem „Sonar“ in Barcelona, das gastiert heuer bei uns. „Sonar“ ist ja nicht politisch, das werden sie sich bei uns also genau anschauen.

Ist es ein erklärtes Ziel, dass das Elevate in Zukunft weiter international ausstrahlt?

STEIRER: Ja, natürlich. Aber die finanzielle Frage ist die gleiche: Wie hoch ist das Budget und welche internationalen Künstler kann man sich leisten?

Mit diesem Festival hat Elevate vom Herbsttermin auf den Frühling gewechselt. Funktioniert's?

ORESKI: Der Frühlingstermin eröffnet neue Möglichkeiten. Man sieht es auch schon, zum Beispiel am steigenden Ticketverkauf in Städten wie Ljubljana, Bratislava, Budapest.