Jetzt ist sie endlich dort, wo sie hingehört; an jenem Ort, für den sie vom Komponisten erdacht und konzipiert wurde: „Jesu Hochzeit“ von Gottfried von Einem wird erstmals in Ossiach gezeigt. Im Gedenken an den 20. Todestag eines Komponisten, der eng mit dem Carinthischen Sommer verbunden war, und von dem bei diesem Festival allein 13 Werke uraufgeführt wurden.


Heute ist das Mysterienspiel längst kein Aufreger mehr und es lässt sich schwer vorstellen, dass 1980 die Uraufführung in Ossiach wegen starker Ablehnung abgesagt werden musste. Auch die Uraufführung im Theater an der Wien im selben Jahr provozierte massive Proteste und wurde als blasphemisch bezeichnet. Es folgten nur noch Aufführungen in Hannover und Mainz (1987).


Aufgeregt hatte damals der nach Augustinus gewählte Titel, eine Kussszene von Jesu und einige Textpassagen. Die „Hochzeit“ mit der „Tödin“, dem weiblichen Tod, einer allegorischen Figur, ist aber nur ein Bild für die Vereinigung der gegensätzlichen Weltprinzipien von Leben und Tod. Philosophische Fragen sind das eigentliche Thema. Einem sah sich den barocken Oratorien ebenso verpflichtet wie der langen Tradition der katholischen Mystiker. Es war die erste Zusammenarbeit mit seiner Gattin Lotte Ingrisch, die das Libretto schrieb und eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Bibel und dem Leben Jesu.

Spiel im Spiel


Nicola Raab, die den Text sehr puristisch in den Mittelpunkt stellt und mit einer minimalistischen Ausstattung (Anne Marie Legenstein) auskommt, beginnt ihre Inszenierung, eine Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt, als Spiel im Spiel: die Protagonisten sitzen in Alltagskleidung, auf einem langen, mit Notenblättern übersäten Tisch und greifen nacheinander in das Geschehen ein. Der Tisch lässt sich rasch zu einem überdimensionalen, liegenden Kreuz formen, mit Licht werden starke Bilder erzeugt (brennender Dornbusch; oder Jesus, wie ein Tier vorgespannt, das Kreuz ziehend).

Gespielt wird eindringlich: Boris Grappe als "Jesus" mit Annette Schönmüller als Magdalena
Gespielt wird eindringlich: Boris Grappe als "Jesus" mit Annette Schönmüller als Magdalena © cs


Gespielt wird eindringlich vor, zwischen und hinter dem Publikum, das im Stiftshof auf drei Seiten um das Kreuz sitzt. Auch der ausgezeichnet singende und spielende Chor des Stadttheaters (Günter Wallner) Volk und Jünger Jesu darstellend, trägt viel zur packenden Atmosphäre bei.


Am Textverständlichsten singt Boris Grappe einen sehr intensiven Jesus. Ursula Hesse von den Steinen als Tödin, die später zu Judas mutiert, verströmt viel ausdruckstarke Dämonie. Schwer verständlich erlebt man Fredrika Brillembourg als klangschön singende Maria und Dan Paul Dumitrescu als weichen Josef. Annette Schönmüller ist eine starke Magdalena mit etwas zuviel Vibrato, Julia Koci ein klarer Lazarus. Marcel Beekman singt den Engel mit hellem Tenor.

Packend musiziert


Die Musik Einems ist weitgehend der Dur-Moll Tonalität verpflichtet, wenngleich auch Mischungen, bitonale Verschränkungen und pentatonische Elemente vorhanden sind. All dies und besonders die vielen, extrem schwierigen Phrasen werden vom Kärntner Sinfonieorchester (KSO) unter dem souveränen, exakt schlagenden Jonathan Stockhammer, der zu Beginn und am Ende auch zur Elektrogitarre greift, differenziert und packend musiziert.


Fazit: Stehende Ovationen des Publikums, darunter die Witwe und der Sohn Caspar Einem und Freude darüber, dass die Kirchenoper wieder beim Carinthischen Sommer eingezogen ist!