Nicht nur aufgrund der Schweizer „No Billag“-Initiative ist das Thema Rundfunkgebühren derzeit brisant und hochaktuell. Auch in Österreich gerät der öffentlich-rechtliche Rundfunk zunehmend unter Druck: Ginge es nach der Regierungspartei FPÖ, würden die Gebühren auch hierzulande gestrichen.

Was wären die Folgen, wo steht der ORF heute und könnte auch in Österreich über die Gebührenfrage abgestimmt werden? Darüber wurde gestern Abend im Servus-TV-Diskussionsformat „Talk im Hangar-7“ mit Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mit dem Publizisten Werner Reichel („ORF-Watch“), dem Medienwissenschaftler Norbert Bolz und dem „No Billag“-Initiator Olivier Kessler diskutiert.

Wieso Staatsfernsehen, wieso Staatspropaganda?

Die Aufteilung in der von Michael Fleischhacker moderierten Runde war schnell klar: Wrabetz sah sich mit Bolz, Reichel und Kessler drei Diskutanten gegenüber, die sich sehr klar gegen eine Fortführung der jetzigen Praxis der Rundfunkgebühren aussprachen. Bolz: "Das Gebührenfernsehen hatte einmal Sinn", und weiter: "Das Problem ist nicht das Geld, [...] es geht um die entscheidende Frage, wieso Staatsfernsehen, wieso Staatspropaganda?"

Blümel: ORF soll "Verifikationsmedium" sein

Fleischhacker ortete den ORF in einer Glaubwürdigkeitskrise und befeuerte damit die Diskussion. Blümel bemühte sich, wie schon in den vergangenen Wochen, um Versachlichung und betonte mehrmals, nicht als Medienkritiker sondern als Medienpolitiker Verantwortung übernehmen zu wollen. Auf die Frage, was er über die aktuellen Angriffe der FPÖ auf den ORF halte, antwortete der Medienminister: "Das ist nicht die Art von Diskurs, die ich mir vorstelle." Er wünsche sich einen ORF als "Verifikationsmedium" und bekräftigte, dass es eine staatliche Finanzierungskomponente brauche, um hochqualitative, österreichische Inhalte produzieren zu können. Der Schlüssel zu einer gelungenen Medienpolitik liege im Pluralismus.

Die großen Gefahren für eine österreichische Medienpolitik ortet Blümel in den dominanten US-Unternehmen Google und Facebook: "Momentan haben wir im digitalen Raum zwei-drei globale Player, die definitiv anders agieren, als das klassische Medien tun. Und zwar so stark sind, das die klassischen Meiden gar nicht Möglich haben, dort Fuß zu fassen." Hier müsse Medienpolitik ansetzen: "Wie ermöglichen wir österreichischen Medienunternehmen im digitalen Raum erfolgreich sein zu können. Da braucht es glaube ich auch eine staatliche Mithilfe."

Für die für das späte Frühjahr geplante ORF-Enquete kündigte Blümel an, einen verpflichtenden Prozentsatz österreichischer Musik vorschlagen zu wollen.

Linke Schlagseite des ORF

Eine konsequente "linke Schlagseite" ortet der Publizist Werner Reichel und bekam dafür Unterstützung von Norbert Bolz, der nicht nur auf die Informationssendungen verweist, sondern auch auf fiktionale Inhalte. Bei "Tatort" seine die Täter "immer Industrielle oder Nazis". Bolz nannte dies in dem Zusammenhang abwertend "Volkspädagogik". Wrabetz entgegnete, dass der ORF sowohl von Links als auch von Rechts für eine angeblich tendenziöse Berichterstattung kritisiert werde, es komme auf die Perspektive an. Zum Vorwurf, fiktionale Inhalte hätten eine Schlagseite: "Es gibt kein Drehbuch für die Drehbücher".

Was die Vorwürfe zur Berichterstattung in den letzten Wochen anlangt, gestand Wrabetz Fehler ein. Er sprach von "zwei bis drei Fällen", die aber in ihrer Quantität im Verhältnis zu den rund 50.000 Nachrichten gesehen werden müssten, die der ORF im Jahr produziert. Die große Konkurrenz orte Wrabetz nicht bei den österreichischen Privatmedien, sondern in den großen deutschen Medien: Um sich eine österreichische Stimme zu erhalten "braucht es einen starken ORF" und bekam dafür indirekt Zustimmung von Blümel.

"No Billag" will SRG zerstören

In der aktuellen "No Billag"-Initiative in der Schweiz (am Sonntag wird abgestimmt) sieht Wrabetz den Versuch die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft zu zerstören. Eine Anschuldigung, die Kessler umgehend dementiert. Er orte in den öffentlich-rechtlichen Medien einen schädlichen Anachronismus, der verhindere, dass die Medien der Politik entsprechend "auf die Finger schauen".

Auf die abschließende Frage, ob er die Reformprojekte im ORF mit oder ohne ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz umsetzen wolle - immerhin hätte die türkis-blaue Koalition die für eine Absetzung notwendige Mehrheit im Stiftungsrat - antwortete der Medienminister positiv, die Frage der Wiederbestellung, stelle sich erst in fünf Jahren.

Im Anschluss an die Talksendung zeigte Servus TV "Kultur mit Hollender" - wie um beweisen zu wollen, dass auch private Fernsehsender Qualitätsinhalte produzieren können. Allerdings kann Servus TV nicht als klassisches Beispiel für einen Privatsender am freien Markt gelten, hat es doch mit Dietrich Mateschitz einen großzügigen Mäzen.