Sind wir reif für mehr Demokratie? So titelte die Kleine Zeitung heute. Es geht um einen der umstrittensten Punkte in den türkis-blauen Koalitionsverhandlungen - die Frage: Wie hält es die Regierung künftig mit der Mitbestimmung der Bevölkerung. Ist von direkter Demokratie die Rede, geht es um Referenden, Initiativverfahren, Volksabstimmungen, Volksbegehren oder Volksbefragungen.

Der FPÖ schwebt, wie berichtet, ein Automatismus bei der Einbindung der Österreicherinnen und Österreicher vor. Konkret geht es um die Macht von Volksbegehren. Laut FPÖ sollen bei 250.000 Unterschriften (das entspricht etwa vier Prozent der Wahlberechtigen) ein Anliegen im Parlament verhandelt werden. Die ÖVP sieht diese Hürde bei zehn Prozent.

Nicht selten in dieser Diskussion wird auf die Schweiz verwiesen. In keinem anderen Staat der Welt besitzen Menschen derart viele direkte Volksrechte. Die direkte Demokratie ist bei unseren Nachbarn im Westen so ausgestatt, dass stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen (also Gemeinde, Kanton und Bundesstaat) als Inhaber der obersten Gewalt fungieren und abschließend in Sachfragen entscheiden können. Das bringt mitunter einen persönlichen Abstimmungsmarathon mit sich.

Hitzige Debatte über die Abschaffung der Gebühren

Am 4. März 2018 stimmt die Schweiz über die "No-Billag-Initiative" ab. Es ist eine der am hitzigsten debattierten Initiativen der letzten Jahre. Worum geht's: Es geht um die Befreiung der Gebühren vom SRG (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft). 451 Franken (umgerechnet 387 Euro)  zahlt man in der Schweiz pro Haushalt für Radio- und Fernsehgebühren. Geht es nach Medienministerin Doris Leutha (CVP) soll die Gebühr ab 2019 auf 365 Franken gesenkt werden. Motto: Ein Stutz pro Tag soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon wert sein.

Die Befürworter der Initiative argumentieren, dass sich die SRG selbst finanzieren müsste. Die Gebühren machen jedoch mit 1,2 Milliarden Franken rund drei Viertel der Gesamteinnahmen der SRG aus. Rund 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Leutschenbach in Zürich, dem Küniglberg der Schweiz, beschäftigt. Die SRG bestreitet zwei Fernsehsender und vier Radiosender (inkl. eigenem Nachrichtensender). Der Ruf der Journalisten ist mittelprächtig: sie gelten als gut ausgebildet, jedoch als arrogant, links und elitär. Auch das ist vielen Schweizern ein Dorn im Auge. Dem SVP-Politiker Christoph Blocher auch.  Lanciert worden ist die No-Billag-Initiative laut NZZ von "freisinnigen, libertären und rechtskonservativen Jungpolitikern" rund um "Schweizerzeit"-Chefredakteur Oliver Kessler. Ihnen ist es ein Dorn im Auge, das der Staat (über die Firma Billag) Zwangsgebühren für Radio- und Fernsehkonsum eintreibt. Die Debatte darüber ist hitzig, emotional aufgeladen und bleibt an einzelnen Detailfragen picken. 

Die Gegner der Initiative pochen in ihrer Argumentation auf den Beitrag der SRG für eine funktionierende Demokratie in der Schweiz, auf Zusammenhalt und Information. Fakt ist: Dass das System SRG ohne die Gebühren nicht überlebensfähig ist. Was könnte auf einen öffentlichen Rundfunk folgen? Eine Privatsender-Offensive? Politisch oder ökonomisch gefärbte Information? Viele No-Billag-Gegner fürchte eine "Berlusconisierung" der Schweizer Medienszene, eine Übernahme ausländischer Sender, einen Verlust der regionalen Identität, eine geschwächte Demokratie und Verleger und Herausgeber mit politischen Eigeninteressen. Pragmatiker erklären, dass der Entwurf zu radikal sei, aber eine Diskussion über "Zwangsgebühren" geführt werden müsse.

Ein Blick in die Berichterstattung zeigt: Die Medienmacher sind sich des Werts des öffentlich rechtlichen Rundfunks bewusst. Ein Ja zur Initiative würde auch das Aus vieler kleinerer Sender bedeuten. Derzeit stehen die Chancen in vielen Umfragen aber gut, dass die Schweiz für die No-Billag-Initiative stimmt.

Und was das für Österreich bedeutet?

Das Mediensystem in Österreich und der Schweiz ist aufgrund des starken öffentlichen Rundfunks und der Dominanz in diesem Bereich durchaus vergleichbar. Beobachter rechnen, dass am Ende der Koalitionsgespräche zwischen ÖVP und FPÖ ein neues ORF-Gesetz steht. Die Organisationsform als öffentliche Stiftung dürfte erhalten bleiben, mit einem verkleinerten Aufsichtsgremium und kollegialer Geschäftsführung ist allerdings zu rechnen. Offen ist die zukünftige Finanzierungsform dieses österreichischen Leitmediums. Eine „Haushaltsabgabe“ statt der aktuellen ORF-Gebühren steht zur Diskussion, detto eine vom Chef der Zeitungsverleger Thomas Kralinger geforderte „Medienabgabe“, von der auch andere Spieler am Medienmarkt profitieren sollen. Und: Die GIS-Gebühren, die von Bundesland zu Bundesland variieren, stehen in der Bevölkerung schon lange in der Kritik.