Hätte Sie und Kollege Grissemann völlig freie Hand: Wäre „Willkommen Österreich“ dann böser oder milder?
Dirk Stermann: Es gibt eine Humorfarbe, die man hat und nicht abstreifen kann: Ich bin eher der Harmonizer und der Kollege ist der Boshafte. Das wird tendenziell stärker, je älter man wird. Gleichzeitig lässt das Interesse nach, ununterbrochen Witze zu erzählen – zugunsten der Lust, die Gespräche weiter auszubauen. Das Problem ist, wir haben 200 Leute im Saal, die sind unser Maßstab: Nur wenn man das Gefühl hat, die amüsieren sich, dann läuft es gut. Der Vorteil ist, dass wir jetzt älter und cooler sind im Umgang mit solchen Situationen. Man ist so oder so eine Nutte, wenn man vor einer Kamera und Publikum steht, aber ich glaube, wir sind jetzt schon etwas abgeklärtere Nutten.

Können Sie mit der Sendung an und für sich zufrieden sein?
Stermann: Ich finde, dass die Sendung ganz okay ist. Sie hat eine eigene Art von Charme. Mein Kollege sagt immer, man soll die Sendungen nicht einzeln betrachten, sondern eher wie einen Marathonlauf. Da halten wir uns ganz gut im Mittelfeld: Wir sind keine Keniaten, werden aber auch nicht vom Besenwagen aufgesammelt.

Wie fühlt es sich an? Kilometer zehn oder Kilometer 40?
Stermann: Es fühlte sich von Anfang an wie Kilometer 40 an mit Beinkrämpfen. Aber ich habe das Ziel noch nicht vor Augen. Das Schöne an „Willkommen Österreich“ ist, das könnte man machen, bis man sich vom Schreibtisch nicht mehr aufrichten kann. Es wäre eine charmante Vorstellung, dass da zwei 80-Jährige sitzen.

Die Zielgruppe wächst ja mit.
Stermann: Ich finde es schön, dass man mit den Leuten im Fernsehen gemeinsam alt wird und es wäre interessant zu sehen, wie man in zehn oder fünfzehn Jahren drauf wäre. Ich glaube mein Kollege wird altersboshaft, ich werde immer milder. Das könnte interessant sein.

Der viel gescholtene Beginn der Sendung 2007. Bald wurde das Konzept radikal (und erfolgreich) geändert.
Der viel gescholtene Beginn der Sendung 2007. Bald wurde das Konzept radikal (und erfolgreich) geändert. © ORF

Haben Sie kurz vor Beginn Lust auf die Sendung oder freut man sich schon auf das Ende?
Stermann: Es ist so, dass ich nach der Sendung, da kann ich auch für den Kollegen sprechen, sehr erschöpft bin. Jedes Mal. Früher sind wir nach der Sendung noch mit den Gästen um die Häuser gezogen. Das mache ich jetzt nicht mehr, ich verabschiede mich nur noch höflich und hüpfe sofort ins Taxi. Diese vier Minuten warten, bis das Taxi kommt, das ist eigentlich der beste Moment des Tages.

Ein Jahrzehnt „Willkommen Österreich“: Macht das stolz, nachdenklich, vielleicht melancholisch?
Stermann: Jetzt machen wir das schon zehn Jahre, das heißt auch, wir sind zehn Jahre älter geworden. Da ist ein bisschen Melancholie und Überraschung dabei. Stolz ist fatalerweise keine Kategorie in meinem Leben. Ich kann auf das, was ich mache nicht stolz sein, weil ich weiß, das es noch hätte besser sein können.