Muzet heißt der neue Mitarbeiter des Norwegischen Fernsehens (NRK) und er ist Kameramann. Sein Arbeitsgerät wurde ihm auf den pelzigen Kopf geschnallt, damit er das Geschehen authentisch und aus nächster Nähe filmen kann. Muzet ist ein Rentier und so wie die mehr als 1000 anderen Individuen seiner Herde im Norden Norwegens gerade auf der langen Frühjahreswanderung von der Finnmarksvidda zur Insel Kvaløy. Begleitet wird die Reise von einem aus 40 Personen bestehenden Team des Senders NRK, der die Wanderung durchgehend live überträgt.

Was die Produktion von „sakte TV“ (langsames Fernsehen) betrifft, hat man es in Norwegen zu einiger Expertise gebracht. Live-Übertragungen von Hurtigruten-Schifffahrten, Lachsfischen, Zugreisen oder von einer Vogel-Futterstelle sorgen seit Jahren für großes Zuseherinteresse und weltweite Aufmerksamkeit. Dabei ist „sakte TV“ spektakulär – spektakulär langsam. Die Kameraeinstellungen bleiben minutenlange unverändert und häufig passiert wenig bis nichts. Eine Million Menschen sahen die Sendung bis Freitagvormittag. Im Schnitt sahen 17 Tausend Menschen zu - eine beachtliche Quote bedenkt man die Einwohnerzahl Norwegens und die stundenlange Übertragung.

Projektleiter Per Inger Åsen zeigt sich sehr zufrieden: "Ich finde es wunderbar, dass so viele dabei sind und zusehen. Wir waren ein bisschen unsicher, ob es fesseln wird, aber jetzt wissen wir, dass wir richtig lagen! Ich glaube, viele Menschen sehen darin eine Therapie für die Seele, die Tiere und die Naturlandschaften zu sehen. Zudem sind wir sehr zufrieden, dass die schwierige technische Arbeit funktioniert, dass ist eine absolut bemerkenswerte Leistung." Zwar gab es einige Unterbrechungen, "aber damit muss man unter diesen Voraussetzungen rechnen", sagte Åsen.

Langeweile kommt trotzdem nicht auf. TV-Zuseher aus der ganzen Welt können die Rentiere dabei beobachten, wie diese mit einer Geschwindigkeit von rund 60 Kilometer pro Stunde über die verschneite Hochebene laufen. Flankiert von Menschen auf Schneescootern und zwei Hunden folgen sie der Leitkuh an der Spitze der Herde. Nach zwei Stunden Dauerlauf wird geruht und gegessen, bis die Tiere die Reise wieder fortsetzen. Spektakuläre Bilder ohne Hektik, ohne Inszenierung. Fernsehen reduziert auf das Beobachten, ergänzt mit samischen Liedern und seltenen Interviews.

Intern wurde das Vorhaben als das „Unmögliche Projekt“ bezeichnet. „Wir machen Live-Fernsehen in einer Gegend, wo es weder Satelliten- noch Handyempfang gab“, erklärt der NRK-Programmredakteur Ole Rune Hætta. Zur technischen Herausforderung kommt die Natur: Weil es zu kalt war, musste der Start um zwei Tage verschoben werden. Seit Montag sind die Tiere unterwegs, nach etwa einer Woche sollen sie – der spektakuläre Höhepunkt – vom Festland zur Insel Kvaløya schwimmen, ihrem Sommerquartier. Dort werden die trächtigen Kühe schließlich kalben und damit einmal mehr zeigen, wie aufregend „sakte TV“ sein kann. 

Die Rentierwanderung live auf www.nrk.no/rein/