Reagenzgläser, Elektro-Schrott, große 3D-Drucker, die ebensolche Gebilde produzieren, Videoschirme und viel Grün - Vielfalt und Verschmelzung der Genres machen moderne Alchemisten aus. Sie bedienen sich hybrider Arbeitsweisen und vernetzen sich über Disziplinen hinweg.

Passend zur Ars Electronica, wo ein Bio-Bauernmarkt ebenso Platz findet wie eine Mini Maker Faire und Nachhaltigkeit gelebt wird. Beim Betrachten der Ausstellungen solle man das Dreieck Kunst, Technik und Gesellschaft im Hinterkopf haben, meinte Ars-Electronica-Leiter Gerfried Stocker, als er  die Höhepunkte präsentierte.

Im Bunker

Geht man in den für "Alchemists of our time" erstmals geöffneten Keller des Komplexes, kommt eine Atmosphäre des Geheimen und Mystischen hinzu. Weiße Pfeile am Boden weisen den Weg in die Katakomben, wo im "Bunker" ein schwebendes Horn Stimme in Wasser und Wasser in Luft verwandelt ("Aquaphoneia"). Lichtscheine aus geöffneten Türen führen zu weiteren Projekten der heutigen Alchemisten wie "Stones", die reines Wissen für die nächsten Jahrtausende archivieren.

Leuchtröhren

Am Ende eines Ganges wartet "f2()" des Japaners Tomonaga Tokuyama, der fünf flackernde Leuchtröhren vertikal hintereinander anordnet. Der Klang dazu reicht bis in unangenehme Frequenzen. Weiter geht es durch den Keller in einem schier unendlich langen, mäßig ausgeleuchteten Gang, Betonwände, Fluchtweg-Zeichen und Stopp-Schilder vermitteln keine sehr heimelige Atmosphäre. Ein dumpfes Dröhnen gegen Ende entpuppt sich einen dunklen Vorhang weiter als Klang aus drei Hörnern, die riesige Seifenblasen produzieren. In "Black Hole Horizon" von Thom Kubli wabern sie als unförmige Gebilde in die Luft, die erst ihre "schöne" runde Form finden müssen, bevor sie zerplatzen. Im Raum daneben lässt Stefan Tiefengraber in "Rotating Lights" wie Ventilatoren angeordnete Leuchtstoffröhren immer schneller drehen - bis das Licht ausgeht.

Michelangelos Hände

Schaurig, obwohl hell beleuchtet, ist "Anatomy of Frozen Genesis" von Dean Verzel. Das Motiv der sich reichenden Hände stammt aus Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle, nur ist die Haut an den Fingern hier verschrumpelt, die amputierten Arme stecken in einem Eisblock. Mit Blick auf den riesigen Paketspeicher und an der Gleishalle vorbei geht es über den Fluchtweg 1 wieder ins erste Obergeschoß, wo man mitten in der bunten U19-Welt landet. Von dort stehen alle Wege offen zu weiteren Alchemisten, darunter Yoko Shimizu, die in "Photosynthegraph" Photosynthese und Fotografie kombiniert, indem sie Grafiken auf Pflanzen druckt. Der gesamte Prozess ist in der Postcity sichtbar. Kaum zu übersehen ist ein riesiges Ornament am Boden. Das Symbol in Raphael Perrets "Recycling Yantra" ist aus alten Handy-Covern, einzelnen Tasten aus einer Computertastatur und mehr Elektro-Schrott aufgelegt. Wie der Haufen alter Elektro-Geräte daneben soll es verdeutlichen, wie viel Wert in Müll steckt.

Leben als Klang

Die Inferface Cultures der Linzer Kunstuni ist zum zwölften Mal Teil des Festivals und bringt viele interessante Arbeiten. Gabriela Gordillo verwandelt in "Arrhythmia" Tätigkeiten des täglichen Lebens in Klang. Besucher füllen auf runden Kärtchen aus, wann sie in 24 Stunden z.B. schlafen, essen oder arbeiten. Diese Daten werden in hörbare Frequenzen umgewandelt. Sound erzeugen auch Chiara Espositos "Domes" - die Glasur der Keramikskulpturen ist ein Sensorelement. Jens Vetter und Sarah Leimcke erschufen den "Homo Restis", ein an Seilen gehaltenes, Töne erzeugendes Kostüm zwischen Alien und Ork, dem man lieber hier begegnet als im Keller.

 Ars Electronica Festival "Postcity" von 8. bis 12. September in Linz. 
www.aec.at/radicalatoms