Nach dem Putschversuch vom Juli geht die Türkei mit unveränderter Härte gegen Journalisten vor. Die Behörden nahmen einen Redakteur der prominenten Zeitung "Hürriyet" ("Freiheit") fest, berichtete die englischsprachige Ausgabe des Blattes am Dienstag.

Dincer Gökce sei zusammen mit neun weiteren Personen in Gewahrsam genommen worden, darunter auch ein ehemaliger Redakteur der konservativen Zeitung "Yeni Safak" ("Neue Morgendämmerung"). Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft gegen 35 Personen einen Haftbefehl erlassen, berichtete "Hürriyet" weiter. Unter ihnen dürften weitere Journalisten sein.

Die türkische Staatsanwaltschaft nahm zu den Angaben nicht Stellung. Die französischen und belgischen Ausgaben der türkischen Zeitung "Zaman" ("Zeit") hatten bereits am Montag ihre Arbeit eingestellt. "Aufgrund einer zunehmenden Gefährdung unserer Redakteure halten wir es für unverantwortlich weiterzuarbeiten", erklärte der Herausgeber der französischen Ausgabe auf Twitter. Seine Redaktion habe mehr als 200 Morddrohungen erhalten.

In der Türkei steht "Zaman" schon seit März unter staatlicher Aufsicht. Die Zeitung wird verdächtigt, den Prediger Fethullah Gülen zu unterstützen, den die türkische Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht. Bei dem Aufstand war eine Gruppe von Soldaten mit dem Versuch gescheitert, die Kontrolle über das Land zu gewinnen. Als Reaktion hat die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan den Ausnahmezustand verhängt. Mehr als 130 türkische Sender und Zeitungen wurden geschlossen sowie rund 60 Journalisten festgenommen. Sie gehören zu den mehr als 40.000 Personen, die seit dem Putschversuch inhaftiert wurden.

Unterdessen wurde der pro-kurdische Nachrichtensender Özgür Gün ("Freier Tag") nach eigenen Angaben landesweit abgeschaltet. Der Satelliten- und Kabelfernsehanbieter Türksat habe die Ausstrahlung eingestellt, teilte Özgür Gün am Dienstag via Twitter mit. Der Sender mit Zentrale in der Kurdenmetropole Diyarbakir könne jedoch weiter regional und per Internetstream empfangen werden.

Der Grund für die Maßnahme war zunächst nicht bekannt. In den vergangenen Wochen gingen die Behörden in der Türkei vermehrt gegen pro-kurdische Medien vor. Erst am Sonntag waren 25 Mitarbeiter der kurdischsprachigen Zeitung Azadiya Welat (kurdisch: "Freiheit des Vaterlandes") festgenommen worden, wie der Sender IMC TV berichtete.

Mitte August hatte ein Gericht wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda die Schließung der Zeitung "Özgür Gündem" ("Freie Agenda") angeordnet. Mehr als 20 Mitarbeiter oder Unterstützer der Zeitung wurden festgenommen, darunter auch die bekannte Autorin Asli Erdogan, die weiter in Untersuchungshaft ist. Schriftstellerverbände in Deutschland fordern die Freilassung von Erdogan. Nach dem Putschversuch war die Untersuchungshaft per Dekret von zwei auf 30 Tage verlängert worden.