Shirin Neshat wirft in ihren Fotos und Videos einen Blick auf Frauen in muslimisch geprägten Gesellschaften und zeigt die Widersprüche zwischen westlichen und orientalischen Kulturtraditionen auf. Die Neue Galerie in Graz bringt nun die Ausstellung "Frauen in Gesellschaft", die die neuesten Arbeiten der Künstlerin erstmals in Österreich zeigt, hieß es bei einer Presseführung am Mittwoch.

"Wir haben die Gelegenheit spontan ergriffen, die Ausstellung nach Graz zu bringen. Es gibt einerseits die glamouröse Person im Hintergrund, andererseits ihr relativ unbekanntes aktuelles Werk, beides soll hier zusammengeführt werden", erläuterte Günther Holler-Schuster, der die von Tübingen übernommene Schau in Graz betreut. Die große Übersichtsausstellung in der Neuen Galerie zeigt Arbeiten aus allen Schaffensphasen von Shirin Neshat.

Foto- und Videoarbeiten von Shirin Neshat in der Neuen Galerie Graz
Foto- und Videoarbeiten von Shirin Neshat in der Neuen Galerie Graz © Neue Galerie/Neshat

Den Beginn machen die Schriftfotografien aus den 1990er-Jahren "Women of Allah", bei denen die Künstlerin große Schwarz-weiß-Fotografien von muslimischen Frauen - oder auch nur Körperteilen wie Hände oder Füße - mit Schriftzeichen in Tusche übermalt hat. Die Zeichnungen sind dabei so gesetzt, dass sie wie schmückendes Beiwerk wirken, dessen Bedeutung sich erst bei der näheren Auseinandersetzung erschließt. So stellt beispielsweise die Schrift auf den Händen in einem Bild die Geburtsurkunde von Neshat dar, auf einem anderen Bild bilden die Buchstaben so etwas wie einen zarten Gesichtsschleier. Kennzeichnend für diese Fotoserie ist, dass sich immer wieder rituelle Kleidung, Waffen und Schrift darauf finden.

In einer anderen Serie, "The Book of Kings" (2012), reflektiert die Künstlerin die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling. Es handelt sich um die neusten Fotoarbeiten, die bisher noch nicht in Österreich zu sehen waren. Männer und Frauen in Porträts, übermalt mit Schrift oder Bildtattoos, eine Masse, in der sich Patrioten oder Verbrecher nicht mehr zuweisen lassen. Gezeigt werden "die Sozialstrukturen des Landes, kein dokumentarisches Porträt", erklärte Holler-Schuster.

Auch das filmische Werk wird gezeigt, der Kinostreifen ("Women without Men", 2009) wird einige Male im Museum und im KIZ Royalkino zu sehen sein. Ihre Videos "Turbulent", "Rapture" und "Fervor", die von 1993 bis 2000 entstanden sind, beschäftigen sich mit Fragen der kulturellen Identität und der Rolle der Frau, während ihre späteren Arbeiten "Roja" und "Sarha" von 2016 eher traumartige, subjektive Zustände zeigen.

In Zusammenhang mit der Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm von Filmvorführungen bis zur Auseinandersetzung mit dem Frauenbild und der Literatur des Iran.