Frank Stronach bringt das Wesen des Kapitalismus gern mit dem kaltschnäuzigen Satz „Wer das Gold hat, bestimmt die Regeln“ auf den Punkt. Wer das Öl hat, detto. Das ist unschwer in den Golfstaaten abzulesen, überdeutlich etwa in der Architektur. Größer? Höher? Teurer? Kein Problem!

Allein in Dubai, vom ehemaligen Fischerdorf zum Leistungszentrum der Gigantomanie aufgepumpt, dürfen sich Architekten von Rang und Namen austoben. Der Brite Tom Wright stellte 1999 das legendärste Gebäude in die Hauptstadt des Emirates, das segelförmige Luxushotel Burj al Arab. Das von Adrian Smith designte Burj Khalifa ist seit 2008 mit 828 Metern das höchste Gebäude der Welt. Sein Büro Skidmore, Owings and Merrill aus Chicago entwarf auch den 2013 eröffneten Cayan Tower, der sich in einer 90-Grad-Drehung in den Himmel schraubt. Mehr als 200 Wolkenkratzer ragen mittlerweile in Dubai auf, 20 weitere mit einer Höhe von über 300 Metern sind in Planung oder in Bau.

Aber Dubai schrumpft fast schon wieder zum Minimundus gegen das Maximundus, das Saudi-Arabien plant: Die Megalopolis „Neom“, ein 425 Milliarden Euro teurer Hybrid aus Technologiepark und komplett neu gestalteter Stadt am Roten Meer, im Dreiländereck mit Jordanien und Ägypten, soll größer werden als Kärnten und die Steiermark zusammen.

In der Golfregion will man freilich nicht nur mit den Dollars wedeln, sondern auch Kultur zeigen. So eröffnen die Vereinigten Arabischen Emirate nach mehr als zehn Jahren Plan- und Bauzeit heute mit dem Louvre Abu Dhabi die erste Ausstellung mit universellem Anspruch in der arabischen Welt.

Das 1,5 Milliarden Euro teure Museum, in dem nicht weniger als die Geschichte der Menschheit erzählt werden soll, steht auf der Saadiyat Island, die dem Zentrum Abu Dhabis unmittelbar vorgelagert ist. Auf dieser künstlich angelegten „Insel des Glücks“ sind auch das Guggenheim Abu Dhabi von Frank O. Gehry, das Zayed National Museum von Sir Norman Foster, ein Meeresmuseum von Tadao Ando oder ein Konzerthaus der 2016 verstorbenen britisch-irakischen Architektin Zaha Hadid in Planung.

Jean Nouvel, der mit dem Louvre Abu Dhabi ein Museum der Superlative in den Wüstensand gesetzt hat, kontert auf die Kritik an dem Größenwahn der Ölscheichs so: „Die Golfstaaten befinden sich in einer Art goldenem Zeitalter. Mit ihren Mitteln lassen sie dementsprechend bauen. Das war schon immer so. In der Antike haben sich die Reichen bedeutende Grabanlagen bauen lassen, Prinzen und Könige die größten Schlösser.“

Der Pariser Stararchitekt hat über die eigentlichen Museumselemente und die Wasserbecken als markanten Blickfang eine Riesenkuppel gespannt. Die offene Spezialkonstruktion aus Stahlprofilen mit einer Fläche von fünf Fußballfeldern wurde um 80 Millionen Euro vom heimischen Stahlbaukonzern Waagner-Biro produziert.

„Tempel der Schönheit“, so nannte Staatspräsident Emmanuel Macron das Museum vorgestern bei einer feierlichen Zeremonie. In der für 30 Jahre anberaumten, nicht unumstrittenen Kooperation des Pariser „Mutterhauses“ mit der Dependance im Orient sollen neben dem künstlerischen und wissenschaftlichen Austausch auch die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den Emiraten vertieft werden. Und für Jean Nouvel, der sich für den Louvre Abu Dhabi von Sand, Wind und Licht der Region inspirieren ließ, sollen sein „bisher wichtigstes Bauwerk“ und dessen Inhalt vor allem humanen Zwecken dienen: „Kunst gibt den Menschen Tiefgang, erzeugt Emotionen und verschönert das Leben.“