Am Eingang grüßt Figl von Österreich, der Staatsvertragskanzler als Pappkamerad in Schwarz-Weiß. Heute Samstag wird das neue Haus der Geschichte in St. Pölten offiziell eröffnet, vor 1800 geladenen Gästen.

Gelungene Ausstellungsarchitektur im Haus der Geschichte
Gelungene Ausstellungsarchitektur im Haus der Geschichte © NÖ Museum

Drei Millionen Euro hat das Land Niederösterreich in das Prestigeprojekt investiert, in nur drei Jahren wurde es realisiert. „Sportlich“ nennt der wissenschaftliche Leiter des Hauses, der Historiker Stefan Karner, diese Tempovorgabe. Die war wohl ein Politikum: St. Pölten ist mit seinem Zeitgeschichte-Museum dem in Wien geplanten „Haus der Geschichte“ (HDGÖ) zuvorgekommen, das nach langem Hin und Her rund um Standort und Ausrichtung nun Ende 2018 in der Hofburg eröffnet werden soll. Wenn denn dort alles klappt.

Karner jedenfalls mag sich sportlichen Siegerstolz nicht verkneifen: „Unser Haus ist rechtzeitig zum Jubiläum der Republiksgründung fertig geworden“, stellt er den Deutungsvorsprung der Niederösterreicher aus. Mit Gegenausstellungen in Wien ab dem kommenden Jahr rechnet er aber nicht, auch wenn man auf Auslegungsunterschiede gespannt sein darf. Immerhin widmet sich die erste Schwerpunktschau in St. Pölten den stürmischen Jahren der Ersten Republik von 1918 bis 1938.

Werden da, wie vorab vermutet wurde, im konservativen Niederösterreich und im roten Wien künftig unterschiedliche historische Sichtweisen aufeinanderkrachen? Ein erster Blick in die St. Pöltener Ausstellung „Die umkämpfte Republik“ erweckt den Eindruck, dass in der Aufarbeitung des Bürgerkriegs von 1934 Aktionen und Protagonisten des roten Schutzbunds nur kursorisch erörtert werden. Weit umfassender abgehandelt wird der Begründer des austrofaschistischen Ständestaats, Engelbert Dollfuß. Der war immerhin Niederösterreicher; im Hauptraum der Schau ist ihm nun eine Großinstallation gewidmet, in der rund um die Leihgabe seines notorischen Porträts aus dem Parlamentsklub der Volkspartei Wortmeldungen von Politikern, Prominenten, Historikern zur nach wie vor kontroversiellen Person dieses Politikers affichiert sind: „Wenn Diktatoren als Vaterlandsverteidiger glorifiziert werden, verniedlicht man Gewaltherrschaft per se als lässliche Sünde“, wird da etwa der Historiker Florian Wenninger zitiert. „Dollfuß ... war kein Böser, vielleicht ein Schlechter, vermutlich nur ein Mittelmäßiger. Der falsche Mann am falschen Ort zur falschen Zeit“, relativiert Wenningers Kollege Kurt Bauer.

Das illustriert die Vorgangsweise des 92-köpfigen Expertenteams bei der Ausrichtung des Museums: „Hoch diskursiv“, sagt Karner, solle das Haus der Geschichte sein. Es werde kein Geschichtsbild geschaffen, sondern Auseinandersetzung ermöglicht: „Unsere demokratiepolitische Herausforderung ist es ja, junge Leute für Geschichte, Politik, gesellschaftliche Entwicklungen zu interessieren. Zu vermitteln, dass es sich lohnt, sich für das demokratische System einzusetzen, statt Rattenfängern auf den Leim zu gehen.“

In der Darstellung politischer Radikalisierung in „Die umkämpfte Republik“ ist dieses Wirkprinzip ebenso präsent wie in der Dauerausstellung, die 40.000 Jahre niederösterreichischer Geschichte ins Bezugsystem Zentraleuropa setzt. Dabei geht es in elf Themenclustern auch wesentlich um Migration, Nationalismus, Religion, Macht- und Arbeitsverhältnisse: nicht gerade politische Vanille. Zwei Kinderwagen, einer Relikt des „Brünner Todesmarschs“ von 1945, der andere Überbleibsel der syrischen Flüchtlingskarawane von 2015, illustrieren Fluchtbewegungen einst und heute, ein strenges Schulzimmer aus dem 19. Jahrhundert dient Schulklassen künftig als Diskussionsraum mit den Museumsvermittlern.

Insgesamt ist man stark auf junges Publikum ausgerichtet: 2000 Objekte, hoher Bildanteil und konsequente Multimedialität sorgen für Kurzweil, ein 2010 bei Wiener Neustadt entdeckter Goldschatz ebenso für Aufregung wie das Eigenbau-Kleinflugzeug, mit dem Jiri Rada 1988 die Flucht über den Eisernen Vorhang gelang. Der Textanteil beider Ausstellungen ist dafür eher gering: Nicht jedes Thema lässt sich da gut abhandeln, das Grauen in KZ und Gulags etwa wird per Schautafel „Jahrhundert der Lager“ salopp vermanscht. Aber jedes Themenmodul kann getauscht werden, erzählt Karner, „einigem werden wir noch nachspüren und Themen ergänzen, wo es jetzt in der Eile nicht möglich war.“ www.museumnoe.at