Am Donnerstag feiert die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, ihren 60. Geburtstag. Im Geburtstags-Interview mit der APA sprach die vormalige "Zeit im Bild"-Moderatorin über ihren Plan, in der Dependance Judenplatz eine Dauerausstellung über die Anfänge des Wiener Judentums einzurichten, über Subventionskürzungen und eine sich anbahnende "kleine Sensation".

Sie feiern in Kürze Ihren 60. Geburtstag. Ihr Vertrag mit dem Jüdischen Museum läuft bis Mitte 2020. Denken Sie schon an die Pension?

Danielle Spera: Ein wichtiger Grundsatz im Judentum ist, niemals stehen zu bleiben, sondern immer danach zu streben, sich weiter zu entwickeln und sein Leben und damit auch seine Umwelt zu verbessern. Das ist auch mein Lebensmotto - nach dem Spruch eines berühmten Rabbiners, der sagte: "Die ganze Welt ist eine schmale Brücke. Das Wichtigste ist, keine Angst zu haben, sie zu überqueren." Ich gehe mit offenen Augen durch das Leben und nehme jede Chance war, die es mir bietet. Die Energie, die ich in mir trage, habe ich sicher von meinem Vater geerbt. Er wird diese Woche 89 und schreibt gerade an einem wichtigen juristischen Gutachten. Eine Jahreszahl ist daher für mich kein Thema.

Welche Projekte wollen Sie denn in den - vorerst drei verbleibenden - Jahren Ihrer Direktion jedenfalls noch umsetzen?

Spera: Vor uns stehen vielfältige und vor allem sehr spannende Ausstellungsprojekte, z.B. über die Kosmetikpionierin Helena Rubinstein oder die jüdische Mystik, die Kabbalah. Vor allem haben wir die Übergabe eines wichtigen österreichischen Familienarchivs, das sich derzeit im Ausland befindet, an das Jüdische Museum Wien in Aussicht gestellt bekommen. Wenn sich dies auch wirklich in die Tat umsetzt, dann erlebt unser Museum eine kleine Sensation, die selbst den heurigen Besuch von Prinz Charles und Herzogin Camilla im April dieses Jahres in unserem Haus in den Schatten stellen wird.

2018 jährt sich der "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland zum 80. Mal. Auf welche Weise wird sich das Jüdische Museum damit auseinandersetzen?

Spera: Wir haben einige Ausstellungsvorhaben in Arbeit, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen werden. Vor allem haben wir unter Federführung von Brigitte Kowanz ein Projekt eingereicht, das eine Erinnerung in Form eines Lichtzeichens an 28 der 1938 zerstörten Wiener Synagogen, die sich in vielen Teilen unserer Stadt befanden, vorsieht. Nun warten wir gerade darauf, dass wir die Finanzierung auf die Beine stellen können. Das wäre ein wichtiges und nachhaltiges Erinnerungsprojekt.

Läuft das Museum momentan zu Ihrer Zufriedenheit? Wo sehen Sie noch Handlungs- oder Aufholbedarf?

Spera: Ein großes Anliegen ist mir das Museum Judenplatz. Dieser Platz stellt einen wesentlichen jüdischen Raum Wiens dar, da dort die bedeutende Wiener Gemeinde im Mittelalter angesiedelt war. Bei einem furchtbaren Pogrom wurde diese gelehrte Gemeinde zerstört, ermordet und vertrieben. Heute steht an der Stelle der großen mittelalterlichen Synagoge das Shoah-Mahnmal von Rachel Whiteread, bei dessen Errichtung die Fundamente der 1421 zerstörten Synagoge gefunden wurden. In unserem Museum Judenplatz wollen wir mit einer neuen Dauerausstellung die Anfänge des Wiener Judentums wieder in das kollektive Bewusstsein unserer Stadt rücken. Das ist eine zentrale Aufgabe, der wir uns in den nächsten Jahren stellen werden.

Im Vorjahr ging es mit den Besucherzahlen etwas zurück - von 118.000 im Jahr 2015 auf 106.000. Wie sieht die Besucherentwicklung für heuer aus?

Spera: Wir werden heuer das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Jüdischen Museums erleben, das lässt sich schon jetzt vorhersagen.

Wie hat sich die Budgetsituation entwickelt?

Spera: Leider ist die Subvention des Jüdischen Museums Wien seit 2007 mit 3,8 Mio. Euro jährlich gedeckelt, also seit zehn Jahren nicht mehr angepasst worden. Und allein für das Palais Eskeles zahlen wir 650.000 Euro Miete an die Stadt zurück. Erschwerend kam noch eine bittere Kürzung der Subvention von jeweils 115.000 Euro 2016 und 2017 hinzu. Glücklicherweise können wir aber durch unsere guten Besucherzahlen etwas davon auffangen und haben nun auch noch einen Teil unserer Sicherheitsmaßnahmen erfreulicherweise durch das Bundesheer übernommen bekommen.

Kurz zur Politik: Die Rechte in Europa hat in den vergangenen Jahren - nicht zuletzt durch die Flüchtlingsbewegungen - starken Aufwind. Merken Sie zunehmende Besorgnis in der Jüdischen Gemeinde?

Spera: Es ist wichtig, hier die Augen nicht zu verschließen, sondern wachsam zu bleiben. Was mich positiv stimmt, ist das starke Engagement der Jugend, die sich besonders einsetzt, Brücken zu schlagen. Gerade beim Thema Flüchtlinge haben wir die Aufgabe, jene Menschen, die bereits hier sind, zum Kennenlernen und einem Meinungsaustausch einzuladen und sie nicht zu isolieren.

 Inwieweit muss man diese Entwicklung und ihre damit einhergehenden Gefahren in einem Jüdischen Museum thematisieren?

Spera: Wir setzen uns in unserer täglichen Arbeit mit den aktuellen Themen auseinander. Nicht nur dadurch, dass wir viele Schulklassen betreuen (Schülerinnen und Schüler zwischen 6 und 18 Jahren), mit denen wir in Diskussion treten, sondern vor allem mit Flüchtlingsgruppen, die wir seit einem Jahr zu uns ins Museum einladen. Wir sehen es als essenziell an, die aktuelle Situation nicht zu bejammern, sondern uns damit auseinanderzusetzen.

Im Herbst gibt es Nationalratswahlen in Österreich. Befürchten Sie einen starken Rechtsruck? Würde das Einfluss auf die Ausstellungsplanung oder inhaltliche Schwerpunktsetzung der kommenden Jahre haben?

Spera: Derzeit Prognosen zu stellen, wäre unseriös, die Wahl findet erst Mitte Oktober statt und wird vermutlich die politische Landschaft durcheinander wirbeln. Danach ist alles möglich.

In Planung ist derzeit das "Haus der Geschichte" in der Hofburg. Da wird es inhaltlich natürlich auch Überschneidungen mit dem Jüdischen Museum geben. Sehen Sie hier eine Konkurrenz oder die Gefahr der Redundanz?

Spera: Es ist hoch an der Zeit, dass sich nicht nur das Jüdische Museum mit dem Holocaust auseinandersetzt, oder auch mit der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Es ist nicht einzusehen, dass sich kein anderes Museum intensiver mit dem schwierigsten und schmerzhaftesten Bruch in der österreichisch-jüdischen Geschichte beschäftigt. Auch aus diesem Grund freue ich mich sehr auf das Haus der Geschichte Österreich, aber auch auf das Haus der Geschichte in St. Pölten.

Vermissen Sie eigentlich manchmal das TV-Geschäft? Reden Sie die Leute immer noch als ZiB-Moderatorin an?

Spera: Meine Kolleginnen und Kollegen aus der ZiB-Redaktion vermisse ich, allerdings treffen wir uns auch weiterhin immer wieder, und ich darf auch hie und da für ORF III Beiträge gestalten, z. B. unlängst ein Interview mit Eric Pleskow oder eine zehnteilige Serie über Jüdisches Leben in Österreich. Und ja, ich werde immer wieder auf die ZiB angesprochen, zuletzt gestern zwei Mal in der U-Bahn.

Verraten Sie mir noch, wie Sie Ihren 60er verbringen werden?

Spera: Mit meiner Familie und unseren engsten Freunden bei einem feinen Abendessen.