Ihre Plattenfirma schreibt: „Max Raabe hat herausgefunden, wie man gute Lieder schreibt: Man tut am besten nichts.“ Wie geht das?

MAX RAABE: Wenn Sie den Pressetext weiterlesen, so steht geschrieben: „Nur so kann Raum für den perfekten Moment entstehen, in dem die Muse küsst.“ So ist es in der Tat. Ich lasse die Sachen auf mich zukommen, entdecke noch immer musikalische Juwele aus früheren Jahrzehnten, außerdem macht es unbändige Freude, selbst Stücke zu schreiben. Selbst im Studio wird da manchmal noch improvisiert.

Das Palast Orchester wurde 1986 gegründet. Hätten Sie damals gedacht, dass es das heute auch noch geben würde?

Nie im Leben. Damals wollte ich mit Musik nur mein Studium finanzieren. Einmal Spaß zu haben und diese Lieder wieder aufzuführen, das war schon der luxuriöseste Gedanke.

Woher kam die Initialzündung?

Es gab Orchestermaterial, das ungenutzt auf Flohmärkten und Archiven schimmelte. Im Radio wurden, als Spezialprogramm, einmal pro Woche Schellacks mit dem Repertoire gespielt. Im Fernsehen liefen Filme etwa mit Zarah Leander und Heinz Rühmann. All das waren Einflüsse. Leider gab es kein Orchester in entsprechender Größenordnung, das diese Dinge noch spielte. Also gründete ich eines.

Sie sind Bariton, „staatlich geprüfter Opernsänger“. Hatten Sie nie Lust auf große Bariton-Rollen auf der Bühne?

Wäre es so, würde ich es machen. Mich zwingt ja niemand zu etwas. Im Sommer nehme ich mir jeweils ein paar Wochen frei. Wenn ich zurückkomme, merke ich jedes Mal, wie sehr mir das, was ich mache, gefehlt hat. Ich kann mir meine musikalische Karriere ohne dieses Repertoire nicht vorstellen. Einige Film- und Bühnenausflüge gab es ohnehin. Wie das „Weiße Rössl“ in der Berliner „Bar jeder Vernunft“. Da spielte ich den Dr. Siedler, weil der in diesem Singspiel die besten Lieder hat.

Zum Programmtitel Ihrer CD, der besagt, Sie hätten den rechten Moment heut verpennt. Ist Ihnen das schon einmal passiert?

Das wüsste ich nicht, weil ich dann ja geschlafen hätte. Offensichtlich hat mir im Nachhinein nichts gefehlt. Das gehört faktisch zu meiner Philosophie, dass ich nämlich keine Sorgen habe, irgendwas zu verpassen.

Beherrschen Sie das perfekte Faulenzen überhaupt?

Und ob! Normalerweise hänge ich mir im Sommer bei mir zu Hause, in der Nähe von Berlin, eine Hängematte zwischen zwei Obstbäume und lass es mir gut gehen. Nur vorigen Sommer nicht. Da habe ich geschrieben und bin nachher für das neue Album ins Studio.

Im Rahmen Ihrer Tourneen waren Sie ja schon oft genug in Österreich, nun kommen Sie etwa auch wieder nach Graz. Gibt es besondere Erinnerungen?

Ich mag die Stadt. Da geh ich immer auf diesen Berg - ja, Schloßberg heißt er - und schaue von oben runter. Ich brauche meine Nachmittagsspaziergänge, und den Schloßberg erklimmen gehört bereits zum Standard. Und da wäre noch Hans Stolz, der Großneffe des Komponisten Robert Stolz, der das umfangreichste Archiv des Meisters besitzt. Robert Stolz spielen wir ja immer wieder, im aktuellen Programm zum Beispiel „Salome“ oder „Du bist meine Greta Garbo“.

Welche Musik hören Sie, wenn Sie privat entspannen wollen?

Klingt banal, nach Bildungsbürgertum. Aber zu Hause lege ich mir am liebsten Johann Sebastian Bach auf. Weil er die Ruhe hat und diese Klarheit.