Es begann mit Bachs "Geduld" und endet mit der Puccini-Arie "Und es blitzten die Sterne": Dazwischen lag bei der Premiere des Grazer Ballettabends "Wunderlich!" am Donnerstagabend eine Bandbreite an Gefühlen, Ideen und Bildern, die bemerkenswert war und den hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern in den ganz unterschiedlichen Choreografien viel abverlangte.

Der dichte Tanzabend besteht aus drei Teilen, die untereinander nicht verbunden sind. Der rote Faden ist Musik des Tenors Fritz Wunderlich, der sich Helge Letonja, Joao Pedro de Paula und Jaione Zabala auf ganz unterschiedliche Weise genähert haben. Dazu wurde auch andere Kompositionen kombiniert, die neue Möglichkeiten für eine intensive Auseinandersetzung mit der Person und der Zeit des Sängers bieten.

Den Beginn machte die Arbeit von Joao Pedro de Paula, einem Tänzer des Ensembles. Er wählte "Geduld" aus Bachs Matthäuspassion und "Von der Jugend" aus Gustav Mahlers "Das Lied von der Erde" und beschränkte sich ganz auf diese beiden Aufnahmen. Zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer bildeten einerseits eine Gruppe junger Menschen, andererseits ließen sich auch eine Jesus-Figur und ein Tod im schwarzen Kapuzensweater ausmachen. Immer wieder wurden Passions-Momente sichtbar, aber auch Handy-Wahn und Selfie-Sucht waren in die Auseinandersetzung um die Begriffe Jugend und Glaube verwoben.

Jaione Zabala lieferte die emotionalste Choreografie des Abends, die mit unterschiedlichen Gefühlen und Bildern aus der Zeit Wunderlichs spielt. Die Ballettmeisterin der Grazer Compagnie verwendete nur ein Lied des Sängers ("Im wunderschönen Monat Mai"), näherte sich aber durch Musik von Duke Ellington, aber auch Chopin dem Phänomen auf ihre Weise. Wenn bei "Lili Marleen" aus altbekannten Klischees plötzlich durch die ernsthafte Auseinandersetzung Liebessehnsucht ohne jede Ironie aufleuchtet, ist das wirklich bemerkenswert. Männlichkeit wird augenzwinkernd präsentiert, fragile Weiblichkeit ebenso in schönen Bildern dargestellt wie Heiterkeit und Lebenslust.

Der letzte Teil von Helge Letonja, einem aus Graz stammenden Tänzer, der erstmals an der Oper choreografiert, ist geprägt von rhythmischen Klängen, eine Wunderlich-Figur wirkt fast verloren, als würde sie ihren Weg - oder irgendeinen Weg - suchen. Gelungen auch das Spiel mit der Schuh-Metapher: Wunderlich stolperte ja über seine Schuhbänder und zog sich bei einem Sturz tödliche Verletzungen zu. Hier tauchen die Schuhe als Stiefel immer wieder auf, allein oder von den Tänzern. Was bleibt, sind die sich alleine immer weiter fortbewegenden Stiefel - und ein berührender Tanzabend.