Das Wort "vielseitig" gleicht bei ihm einer Untertreibung: Der Cembalist, Flöten- und Clavichord-Virtuose René Clemencic gehört nicht nur zu den weltweiten Experten in der Interpretation Alter Musik, er ist auch als Komponist, Dirigent und Musikwissenschafter tätig. Am Dienstag (27. Februar) feierte der Universalgelehrte seinen 90. Geburtstag.

Bis ins hohe Alter zeichnet sich Clemencic durch seine Unermüdlichkeit aus: Zuletzt wurde im Jahr 2015 in der Wiener Ankerbrotfabrik sein Oratorium "Gilgamesch" uraufgeführt, für das Jahr 2018 finden sich auf seiner Website zahlreiche Konzerttermine, darunter das nächste Mal am 6. April, wenn Clemencic im Salvatorsaal in Wien "Unbekannte Meisterwerke der Renaissance" solo am Clavichord zum Besten gibt. Am 3. Mai stehen im Musikverein im Rahmen des laufenden Clemencic-Consort-Zyklus italienische und französische Virelais, Rondeaux und Balladen der Hochgotik auf den Programm.

Clemencic gründete 1957 die "Musica Antiqua" als Ensemble für Alte Musik, das sich die klangtreue Realisierung der abendländischen Musikvergangenheit zur Aufgabe gemacht hatte. 1968 rief er ein neues Ensemble mit den Namen Capella Musica Antiqua beziehungsweise Drama Musicum ins Leben, das später zum Clemencic Consort mutierte.

René Clemencic wurde am 27. Februar 1928 in Wien geboren. Mit seinem Vater, einem Notar, sprach er Italienisch, mit seiner Mutter Deutsch. Nach der Matura studierte er von 1947 bis 1956 an der Universität Wien und an der Pariser Sorbonne Philosophie und Musikwissenschaft. Der Titel seiner Dissertation lautete "Sein und Bewusstsein bei Louis Lavelle". Zudem studierte Clemencic Blockflöte, Cembalo und Musiktheorie in Wien, Berlin und im holländischen Nijmegen. Den Verlockungen eines Pariser Philosophie-Lehrstuhls entsagte er: "Mein Leben gehört der Musik!" Diese Hingabe brachte dem musikalischen Multitalent für seine Arbeit und seine weit über hundert Alben mit Musik aus den unterschiedlichsten Weltteilen und Epochen eine unüberschaubare Fülle an Auszeichnungen ein.

Seine kompositorische Laufbahn begann Clemencic 1968 mit der Uraufführung seines Werkes "Maraviglia III" beim Forum Alpbach. In seinen Kompositionen geht es ihm nach eigenen Angaben in erster Linie um Klangsymbolik: "Klang und Klanggeste sollen als solche in ihrer ursprünglichen Magie wirken. Es geht mir um das Enthüllen einer gewissen verborgenen Semantik des Klanglichen." Zu seinen wichtigsten Werken zählen das Oratorium "Kabbala" in hebräischer Sprache (UA 1992), das Auftragswerk des Musikvereins "Apokalypsis" (UA 1996), das Klaviertrio "Jeruschalajim" (UA 1998), die Kammeroper "Der Berg" nach einem Text von Konrad Bayer (UA 2003) und seine Operelle "Monduntergang" (UA 2007). Auch als Theater- und Filmkomponist war er - u.a. für den "Molière"-Film von Ariane Mnouchkine - erfolgreich.

Aus seinen bald 90 Lebensjahren habe er vor allem gelernt, sich über jeden Tag zu freuen, sagte René Clemencic einmal im Interview. Worüber er sich ebenfalls freuen kann, ist seine umfangreiche Kunstsammlung, die vorrangig aus Skulpturen besteht und 2003 im Oberen Belvedere in einer eigenen Ausstellung gezeigt wurde.

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