Ein Raunen ging im Frühjahr 2015 durch die Opernwelt. Überraschend gab Elisabeth Kulman, eine der meistgefeierten Opernsängerinnen der Welt, ihren Abschied von der Opernbühne bekannt und erklärte, sie wolle sich künftig auf konzertante Vorstellungen und Liederabende konzentrieren. Im Jahr 2011 hatte die Burgenländerin ihre Stimme nach einem Bühnenunfall (ein Kollege schlug ihr versehentlich auf den Kehlkopf) vorübergehend verloren. Sie kämpfte sich zurück, setzte sich künftig aber auch für bessere Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung für Künstler ein (unter anderem als Unterstützerin der Initiative „art but fair“). Nun kommt sie nach Klagenfurt, wo sie Mahlers „Rückert Lieder“ singen wird. Am Pult steht Alejo Pérez, mit dem sie erstmals zusammenarbeitet.

Frau Kulman, was macht Liederabende so viel reizvoller als Opernproduktionen?
ELISABETH KULMAN: Ich liebe es, selbst zu gestalten. Bei meinen Liederabenden, insbesondere aber auch bei meinem Soloprogramm „La femme c‘est moi“, lasse ich meiner Kreativität freien Lauf und richte mir alles, wie es mir gefällt. Niemand redet mir drein. Das ist sehr beglückend, befreiend und beflügelnd. Kann ich nur jedem empfehlen!

Sie singen in Klagenfurt Mahlers „Rückert-Lieder“. Welchen Stellenwert haben diese Lieder für Sie?
Gustav Mahler prägt meinen Lebenslauf, aber eigentlich zufällig. Mittlerweile werde ich sogar als Mahler-Spezialistin angesehen, worüber ich immer schmunzeln muss. Denn es war keine Liebe auf den ersten Blick. Es war, als ob Mahler mich gesucht hätte und nicht ich ihn. Irgendwas in meiner Stimme oder meinem Wesen scheint besonders geeignet für seine Musik zu sein. Die „Rückert-Lieder“ sind ein tief berührender Zyklus, der in alle Aspekte der Mahler’schen Klangwelt einführt.



Wie wichtig ist für Sie auch der literarische Aspekt der Lieder?
Wenn ein großer Komponist sich einem Text in Form einer Komposition widmet, gehe ich davon aus, dass ihm der Inhalt wichtig ist. Sonst hätte er wohl ein Instrumentalstück geschrieben. Als Sängerin ist es meine Aufgabe, diesen Textinhalt und die Musikstimmung, aber auch das, was vielleicht zwischen den Zeilen und Noten steht, dem Hörer plastisch näherzubringen. In diesem Sinn kommt beim Erarbeiten für mich zuerst der Text, aber nur ein Bruchteil einer Sekunde später die Musik. Beide Elemente sind untrennbar miteinander verbunden.

Sie können sich Ihre Engagements aussuchen. Welche Kriterien spielen da eine Rolle?
Ich suche aus nach Werk, involvierten Personen, Ort und Gage. Ich liebe es zum Beispiel, in Ländern zu singen, wo es warm ist. Gerade jetzt im Herbst zieht es mich wieder in den Süden.

Sie haben auch einen eigenen Youtube-Kanal. Wie wichtig und sinnvoll ist es, neue Medien zu nutzen?
Die neuen Medien sind für mich persönlich vor allem ein Geschenk an neuen Möglichkeiten: Man hat Zugang zu jeglichem Interessensgebiet, man findet Gleichgesinnte, und man kann Botschaften, die einem wichtig sind, in die ganze Welt hinaus bringen. Und wen es interessiert, der wird es finden.

Sie unterstützen die Initiative „art but fair“. Haben Sie das Gefühl, dass es ein Umdenken gibt, seit öffentlich faire Arbeitsbedingungen für Künstler gefordert werden?
Wir haben in vier Jahren erreicht, dass das Thema heute sowohl in der Öffentlichkeit als auch (zunehmend) in der Politik angekommen ist. Um konkrete Verbesserungen zu erreichen, ist weiterhin kontinuierliche Arbeit gefordert. Ziel ist, dass „art but fair“ überflüssig wird. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Wie gut kennen Sie eigentlich Kärnten?
Ich bin im Sommer mit meiner Nichte via Parasailing über den Wörthersee geflogen. Es war ein einmaliges Erlebnis. Und am Klopeiner See ist mein Lieblingshotel, das leider noch einzige vegane Hotel Österreichs.