"Grafenegg steht für Musik der Weltklasse", sagte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), künftig werde man sich verstärkt in der Jugend- und Exzellenzförderung engagieren. Oder, wie es der in Zürich geborene Dirigent und Musikwissenschaftler Botstein formulierte: "Zehn Jahre war Grafenegg ein Festivalort, jetzt kommt der zweite Akt." Bildungs- und Vermittlungsprogramme sind dabei ebenso Schwerpunkte wie Residenzen. Mit dem European Union Youth Orchester (EUYO) ist eine enge dreijährige Partnerschaft vereinbart, das Orchester wird künftig im Sommer sein Quartier in Grafenegg aufschlagen.

"Wir wollen etwas Neues schaffen und auch ein neues, aktives Publikum aufbauen. Denn wir haben viel mehr junge Musiker als junges Publikum", sagte Botstein. Der sich vor allem Querverbindungen zwischen den Sparten Musik, Politik, Gesellschaft und Ästhetik widmende Campus biete eine "wundervolle, brillante Möglichkeit zum Lernen, Experimentieren und Ausprobieren. Wir werden auch Misserfolge haben - die werden entweder lustig oder interessant sein." Für Mikl-Leitner könne der Campus damit gar zur "Hebung der Fehlerkultur in diesem Land" beitragen.

Der Campus soll sich der Weiterentwicklung des Musiker-Berufsbilds, der vermehrten Involvierung des Publikums und der Untersuchung der Musik im historischen und gesellschaftlichen Kontext widmen. Aktivitäten sind von März bis September geplant. "Wir werden 2018 an die 500 junge Musiker nach Grafenegg bringen, um zu lernen, zu proben, aber auch um Konzerte zu spielen. Dabei bieten wir dem Publikum vielfältigste Möglichkeiten, unsere Musiker im Kontext und im interdisziplinären Ansatz live mitzuerleben", berichtete Magdalena Klamminger von der Grafenegg KulturbetriebsgesmbH. Neben Orchester- und Kammerkonzerten seien zahllose informelle Konzertformate, Gespräche, offene Proben und Symposien geplant - insgesamt über 60 Veranstaltungen.

Die Konzerte der Academy sollen in der ersten Julihälfte stattfinden. Unter dem Dirigat von Botstein und Dennis Russell Davies sollen 80 junge Musiker ("Das Orchester wird international sein, es sind junge Leute aus China, Japan, Süd- und Nordamerika mit dabei", so Botstein) vier Orchesterkonzerte, darunter eine Matinee mit konzertanten Kurzopern, erarbeiten. Ergänzt wird das Programm mit zwei Kammermusikkonzerten, bei denen u.a. Thomas Hampson, Elisabeth Kulman, Bernarda Fink und Christopher Maltman als Solisten angekündigt sind. Gespielt werden Werke von Bartok, Hindemith, Krenek, Schönberg , Szymanowski und anderen.

Grafenegg könne übers Jahr 150.000 Besucher bei Veranstaltungen begrüßen und beziehe Fördermittel vom Land Niederösterreich und von der EU, jedoch keine vom Bund, sagte Geschäftsführer Paul Gessl. Für den Campus sind 1,2 Mio. Euro budgetiert. Die Wiener Musik-Uni-Rektorin Ulrike Sych lobte den Campus Grafenegg als "best practice"-Beispiel: "Es braucht Zusatzkompetenzen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen." Marshall Marcus, Leiter des EUYO, freute sich über die Aufbruchstimmung: "In der heutiger Situation ist es für Musiker leicht, den Kopf in den Sand zu stecken und sich einfach auf das Repertoire zu konzentrieren - aber mein Orchester möchte lieber etwas zur Zukunft beitragen." Dafür finde man in Grafenegg nicht nur Gleichgesinnte, sondern auch beste Bedingungen.