Schon mutig: Nicht irgendein Best-of wählte Oksana Lyniv für ihren offiziellen Premierenauftritt an der Oper Graz, sondern anspruchsvolle und komplexe Werke. „Mazeppa“ von Franz Liszt - das sei ein „Chefstück“, beschied man ihr einmal. Jetzt machte sie es eben zum „Chefinnenstück“ und formte die symphonische Dichtung aus 1850 präzise nach ihren eigenen Vorstellungen. Die wild tonmalerische Musik erzählt in Märschen und besinnliche Passagen von Iwan Masepa, dem ewigen Helden aus Lynivs Heimat, der als ukrainischer Kosake für die Freiheit kämpfte. Die 39-Jährige, im schwarzen Frack mit rostrotem, seidenem Taillenbund aufgetreten, fand in der heikle Partitur zu beeindruckender Gestaltungskraft.

Béla Bartóks 2. Violinkonzert ist nicht so deutlich von Folklore geprägt wie viele seiner Kompositionen. Das Werk des Ungarn aus 1938, geschrieben für den befreundeten Geiger Zoltán Székely, pendelt variationsreich zwischen herb und mild. Der 31-jährige Ukrainer Valeriy Sokolov konnte sich auch in den spröderen Soloteilen als inniger Interpret einbringen und stellte gerade im Schlusssatz mit dem Rondo seine Bienenfingrigkeit unter Beweis.

Keine Bonbonnieren also, aber süß wurde es nach der Pause doch noch. Wobei: Robert Schumann hatte mit der Symphonie Nr. 2 mitten in einer Depression sozusagen Selbsttherapie betrieben, und seine schwierige Zeit um 1845/46 schimmert auch durch das strahlendste C-Dur. Akkurat, spannungsreich, energiegeladen: In dem von Bach, Mozart und Beethoven inspirierten Werk, das für den Romantiker aus Sachsen nicht nur gesundheitlich, sondern auch musikalisch deutliche Fortschritte brachte, unterstrich Lyniv ihre Vorzüge und entwarf mit einmal strengen, einmal weichen Dirigiergesten samt den hoch motivierten Grazer Philharmonikern dynamische, plastische Klangbilder, wobei ihr gerade der elegische 3. Satz wunderbar gelang.

Großer Jubel am Ende als Willkommensgruß für die „Neue“, die in den nächsten Jahren bestimmt (und hoffentlich) noch viele weitere Herausforderungen an sich und das Grazer Publikum stellen wird.

Gäste

Die volle Oper bewies übrigens, dass die Neugier auf den Einstand von Oksana Lyniv groß war: Intendantin Nora Schmid konnte unter anderem den Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, die Landtagspräsidentin Bettina Vollath und den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl begrüßen, dazu auch den ukrainischen Botschafter Olexandr Scherba, Kulturstadtrat Günter Riegler, Kleine-Zeitung-Chefredakteur Hubert Patterer und viele mehr.