Wie der designierte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić am Montag gab, heißt der künftige Musikdirektor der Wiener Staatsoper Philippe Jordan. Der 42-jährige Zürcher tritt die Stelle ab 2020 an und wird dafür seinen Posten als musikalischer Direktor der Opéra national de Paris aufgeben, ebenso den des Chefdirigenten der Wiener Symphoniker. Als künftiger Musikdirektor unter Roščić hat sich Jordan für 30 Produktionsabende pro Saison am Pult verpflichtet.

Den Titel "Musikdirektor" an der Staatsoper trugen bisher Claudio Abbado (1986-91, in der Ära Claus Helmut Drese) und Seiji Ozawa (2002-2010, während der Ära Ioan Holender). 2010 war Franz Welser-Möst zum ersten Generalmusikdirektor ernannt worden. 2012 verlängerte die damalige Kulturministerin Claudia Schmied sowohl den Vertrag von Welser-Möst (bis 2018) als auch jenen des Direktors Dominique Meyer (bis 2020). Im September 2014 erklärte der oberösterreichische Dirigent allerdings seinen sofortigen Rücktritt, wegen "seit längerer Zeit bestehender Auffassungsunterschiede in künstlerischen Belangen" in der Kooperation mit Meyer. Der Staatsoperndirektor kündigte ein Jahr später an, den Posten des Generalmusikdirektors in den nächsten fünf Jahren nicht nachzubesetzen. Unterstützung erhielt er dabei von den Wiener Philharmonikern, namentlich von deren damaligem Vorstand Andreas Großbauer: „Wir vermissen grundsätzlich einen Musikdirektor nicht.“

Bogdan Roščić
Bogdan Roščić © APA/HERBERT NEUBAUER

Jüngster Auftritt in Bayreuth

"Weitere Höhenflüge des Charismatikers sind garantiert", schrieben wir erst vor einer Woche in einem Porträt von Philippe Jordan. Anlass war die Premiere von Richard Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg" in Bayreuth. Für den Schweizer Dirigenten, der vor fünf Jahren mit dem „Parsifal“ auf dem Grünen Hügel debütierte, sind die „Meistersinger“ einerseits „Wagners schwierigstes Stück, andererseits eine feine Komödie, ich behaupte, es ist die beste deutsche Komödie, die je geschrieben wurde“, wie er im Vorfeld in einem Interview sagte.

Die Premierenaufführung in der Inszenierung von Barrie Kosky, der den schwerwiegenden politischen Gebrauch von Wagners „Meistersingern“ durch die Nationalsozialisten mit wechselndem Erfolg zu exorzieren versuchte, entwickelte Philippe Jordan mit dem australischen Regisseur dann schon im Vorspiel zu einem köstlichen Kammerspiel auf der Bühne. Und aus der Partitur arbeitete der Dirigent auch in der Folge zarteste Feinheiten heraus und verzichtete auf bombastische Klangfülle.

Ein Leben mit der Musik

Philippe Jordan wurde am 18. Oktober 1974 als Sohn des Dirigenten Armin Jordan und der Tänzerin Käthe Herkner geboren, seine Schwester ist die Schauspielerin Pascale Jordan. Im Alter von sechs Jahren bekam er erstmals Klavierunterricht, zwei Jahre später wurde er Mitglied der Zürcher Sängerknaben. Mit elf begann er auch Violine zu spielen, um dann mit 16 ein Studium der Klavierpädagogik aufzunehmen, das er mit Erfolg abschloss. Danach studierte er an der Zürcher Musikhochschule Musiktheorie und Komposition bei dem Schweizer Komponisten Hans Ulrich Lehmann und setzte seine Klavierstudien bei Karl Engel fort.

Raketenstart als Dirigent

Philippe Jordan gelang nach seinen Studien ein Raketenstart als Dirigent. 1998 bis 2002 war er an der Staatsoper Unter den Linden Berlin etwa als Assistent von Daniel Barenboim tätig. Seine präzise Arbeit und die hypnotische Wirkung am Pult machten ihn bald von der Wiener Staatsoper über Covent Garden in London bis zur Met in New York an allen ersten Adressen begehrt. Seit 2009/10 ist Jordan musikalischer Direktor der Opéra national de Paris, seit Herbst 2014 Chefdirigent der Wiener Symphoniker.

Grazer Intermezzo

Mit erst 27 Jahren wurde Jordan Chefdirigent des Grazer Philharmonischen Orchesters und des Grazer Opernhauses. Ab der Spielzeit 2001/02 leitete er unter anderem vielbeachtete Produktionen von "Eugen Onegin" (Peter Iljitsch Tschaikowsky), "Don Carlos" (Giuseppe Verdi), "Parsifal" (Richard Wagner), "Ariadne auf Naxos" (Richard Strauss) oder "Otello" (Giuseppe Verdi).

Von der damaligen Intendantin Karen Stone nach Graz geholt, wollte er seinen Vertrag 2003 allerdings nicht mehr verlängern. Nach dem vorzeitigen Abgang von Stone war die Grazer Oper just im Kulturhauptstadtjahr auf tönernen Füßen gestanden. Mit seinem "letzten Hilfeschrei" wegen des vakanten Intendantenpostens, wegen offener Spielpläne und heikler Finanzierungsfragen habe er damals bei den politisch Verantwortlichen von Stadt und Land zwar "guten Willen" vorgefunden, aber auch ein mangelndes Bewusstsein dafür, "wie sehr es brennt". Der Wiener Musikintendant Roland Geyer, dessen Berufung zum Opernchef Jordan zur Bedingung seines Verbleibs in Graz gemacht hatte, kam nicht nach Graz. Jörg Kossdorff wurde später vom interimistischen zum fixen Intendanten.