Wiener Philharmoniker pflegen ihre "Nabelschnur" zu Franz Schmidt (Sony) - Gegen Kritik an Franz Schmidt haben sich die Wiener Philharmoniker zu allen Zeiten vehement zur Wehr gesetzt - ist doch der österreichische Komponist als Cellist des Orchesters ebenso beschäftigt gewesen, wie als Professor, der ganze Generationen von Philharmonikern in Musiktheorie ausbildete. Gegen einen Zeitungsverriss seiner Zweiten Symphonie startete man sogar eine Publikumsbefragung und verwies auf die "Nabelschnur", die zwischen dem Klangkörper und Schmidt unverbrüchlich bestünde. Eben diese Zweite Symphonie haben die Philharmoniker nun auch auf CD eingespielt und untermauern ihre leidenschaftliche Argumentation für Schmidts Originalität mit der "Träumerei am Kamin" seines Zeitgenossen Richard Strauss. Das mündet unter den Händen von Semyon Bychkov in feinste philharmonische Klangverwöhnung - über das Körnchen Wahrheit in den bitterbösen Schmidt-Kritiken, die im Booklet auszugsweise sogar abgedruckt sind, ließe sich trotzdem trefflich streiten.

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Jonas Kaufmann als Tenor und Bariton im "Lied von der Erde" (Sony) - Die sechs Lieder in Mahlers monumentalem "Lied von der Erde" sind eigentlich für zwei Sänger geschrieben - Tenor und Mezzo oder Tenor und Bariton. Und für jeden von ihnen eigentlich Herausforderung genug. Jonas Kaufmann legt nun gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern unter Jonathan Nott eine Aufnahme vor, bei der er beide Partien übernimmt. Er habe sein Gegenüber immer um die introvertierteren, innigeren Melodien beneidet, gibt er im Booklet zu. Für den Hörer hat das zweierlei Folgen: Erstens, Kaufmanns Neid war berechtigt - die Bariton-Stücke liegen ihm stilistisch fast noch mehr und führen seine Stimme zumindest nicht hörbar an ihre Grenzen. Vor allem der "Abschied" gesellt sich unumwunden zu den vielen beeindruckenden Aufnahmen dieses Liedes. Zweitens ändert sich durch den Wandel vom Dialog zum Monolog auch der Gesamtcharakter des symphonischen Liedzyklus, wird vom behänden Wechselspiel zum ergreifenden Bekenntnis.

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Andris Nelsons begibt sich auf Reise in Bruckners Dritte (Deutsche Grammophon) - Mit Beginn der kommenden Saison tritt Andris Nelsons seinen Posten als Gewandhauskapellmeister in Leipzig an - pünktlich zum 275. Geburtstags des Traditionsorchesters. Zeitgleich beginnt er unter dem Dach der Deutschen Grammophon mit einem "Herzensanliegen" und wird mit dem Gewandhausorchester sämtliche Symphonien Anton Bruckners einspielen. Den Auftakt macht die Dritte, für den Maestro "ein bahnbrechendes Werk", das Bruckner erstmals zu seiner eigenen Tonsprache finden ließ. Gewidmet ist sie Richard Wagner, dessen "Tannhäuser"-Ouvertüre sie auf der CD gegenübergestellt wird - dabei werden die Anklänge an den "Tannhäuser" im letzten Satz Bruckners deutlich hörbar. Deutlich und reichhaltig sind die Stationen dieser "großen Reise", wie Nelsons das Dirigieren einer Bruckner-Symphonie im Booklet beschreibt, in dieser Live-Aufnahme in jedem Fall: Nelsons erweist sich auch mit "seinem" neuen Orchester als Meister der Dynamik, die Bruckners hoch aufgetürmte Klangmassen nie erdrückend werden lässt, sondern immer als offenstehenden Raum durchlüftet.

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Emerson String Quartet schmeichelt sich mit Britten und Purcell (Decca) - Das legendäre New Yorker Emerson String Quartet feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen, unter anderem mit einer Welttournee, die nach längerer Abwesenheit auch mehrfach (zuletzt im März, das nächste Mal am 30. Oktober) nach Wien führt. Und: Mit einer CD-Aufnahme der Britten-Streichquartette Nummer zwei und drei, die mittels eines großen, aber fast unhörbaren Brückenschlags über dreihundert Jahre Musikgeschichte mit einer Chaconne und vier Fantazias von Henry Purcell konfrontiert werden. Mit der "Chacony" des zweiten Quartetts zitierte Britten nicht nur den Titel des ebenso idiosynkratisch bezeichneten Purcell-Stücks, sondern nimmt die Beziehung zu seiner kaleidoskopartig geordneten Musik so mehrdimensional in Angriff, dass sie sich kaum durch schlichte Bewunderung, vielmehr nur durch eine tiefe Verwandtschaft in der Disposition erklären lässt. Mit dieser ersten Aufnahme mit dem 2013 zum Quartett gestoßenen Cellisten Paul Watkins feiert das Emerson String Quartet vor allem die Unbestechlichkeit seiner eigenen Aufführungspraxis.