Wenn sich der allseits beliebte und als Publikumsmagnet bekannte Leiter der Tanzcompany des Tiroler Landestheaters ins Opernfach wagt, dann wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Allein schon der Name steht schließlich für volle Häuser, pathosbeladene Inszenierungen und akrobatische Tänze.

Nicht nur die Tanzcompany war folglich auf der Bühne, sondern auch der Chor des Tiroler Landestheaters. Souverän spielte außerdem das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck und machte musikalisch perfekte Miene zum tänzerischen und gesanglichen Spiel auf der Bühne.

Die Geschichte ist schnell erzählt, weil altbekannt. Orpheus betrauert schon bald nach Beginn des Stücks den Verlust seiner Frau Eurydike. Er bezirzt, nach allen gesanglichen Regeln der Kunst, die Götter, die ihm sodann erlauben, in die Unterwelt hinabzusteigen und seine Eurydike zurückzuholen. Die Auflagen sind aber hart. Er darf nicht mit ihr sprechen und sie schon gar nicht ansehen. Dem Ziel ganz nah und schon fast entkommen, beginnt sie, an seiner Liebe zu zweifeln. Ein Mann, der seine Frau weder ansieht, noch mit ihr redet, hat schließlich etwas zu verbergen. Orpheus wird schwach und schaut seine Geliebte an. Keine kluge Entscheidung, denn sofort sinkt sie wenig lebendig zu Boden. Im Gegensatz zum mythologischen Stoff vergönnt die Ballettoper von Christoph Willibald Gluck den Turteltäubchen jedoch ein Happy End. Amor weckt die Gute wieder auf, und alles ist schön und wunderbar.

Die nachvollziehbare Handlung und die klare und anrührende Musik von Gluck gab Enrique Gasla Valga offenbar viel Freiraum. Seine Tänzerinnen und Tänzer nahmen gleich mehrere Funktionen ein. Sie begleiteten und verdeutlichten, mit dem nötigen Ernst und mit eifrigem Tanzeinsatz, die rein instrumentalen Teile.

Bei den Gesangspassagen, die für eine Oper des Spätbarock übrigens erstaunlich wenig eitel und selbstgefällig-virtuos daherkamen, kommentierten die Tänzerinnen und Tänzer zunehmend das Geschehen. In den besten Passagen scheinen sie sich gar ein wenig über den pathetisch-leidenden und dann wieder himmelhoch-jauchzenden Orpheus, nicht restlos überzeugend von Aco Aleksander Biscevic gesungen, lustig zu machen. Zumindest aber unterstrich die Choreographie die teils aberwitzige und kluge Musik, die in Sachen Gefühlszuständen wirklich jede noch so kleine Regung auszuleuchten vermag.

Nur selten verstieg sich Enrique Gasa Valga zu allzu erotisch-sinnlichen Tanzeinlagen mit überzeichneter Akrobatik. Dann aber wirkte es so, als sei die Unterwelt eigentlich eine Werbefläche für gut aussehende Unterwäsche-Models, die auch noch hervorragend tanzen können und somit das Wenige, das sie tragen, perfekt in Szene setzen.

Insgesamt funktioniert das Pathos der Inszenierung aber bestens. Schöne Körper wirbelten über die Bühne, die Musik befand sich in gutem Gleichgewicht zum Bühnengeschehen und umgekehrt, und man kam nicht darum hin, die eine oder andere Träne zurückzuhalten oder gar zu vergießen, wenn gar zu schön gelitten und geliebt wurde. Vor allem der gesanglich wunderbar agierenden Susanne Langbein nahm man jedes Gefühl und jede Träne sofort ab.

Dem Publikum gefiel es jedenfalls fast durch die Bank. Lange blieben die Anwesenden nicht sitzen und gingen zu stehenden Ovationen über. Einen Extra-Applaus holten sich die Tänzerinnen und Tänzer ab, aber auch Susanne Langbein alias Eurydike wurde sehr gerne und mit Begeisterung beklatscht.