Herr Großbauer, Sie feiern mit den Wiener Philharmonikern heute den 175er. Sie selbst sind seit 2014 Vorstand des Privatvereins. Was ist Ihre bisherige Bilanz?


ANDREAS GROSSBAUER: Man kann sich schwer vorstellen, was diese Position bedeutet, bis man es selbst macht. Die Wiener Philharmoniker sind eine große Basisdemokratie, was nicht immer einfach ist, zumal wir auch große Persönlichkeiten im Orchester haben. Ich konnte zwar einiges an Erfahrung aus meiner Zeit als Ballorganisator mitnehmen, aber ich musste erst lernen, mit Prozessen wie Entscheidungsfindungen umzugehen. Veränderung ist immer schwierig.


Was haben Sie in den drei Jahren gelernt?


ANDREAS GROSSBAUER: Sehr viel. Zum Beispiel, dass man nichts über den Zaun brechen darf, viel kommunizieren und die Kollegen immer mitnehmen muss. Es ist aber auch schön, wenn man etwas gemeinsam gestaltet und es jeder demokratisch mitträgt, auch wenn etwas schiefgeht. Denn die Philharmoniker ziehen letztlich immer an einem Strang. Und es hat sich ausgezahlt, denn wir stehen heute gut da.


Ihre jüngeren Erfolge?


ANDREAS GROSSBAUER: Wir haben unsere Sponsorenverträge stabil aufgestellt, in unser historisches Archiv investiert, unsere Büroräume renoviert, haben Jugendwettbewerbe gemacht und eine neue Kleidung von Stardesignerin Vivienne Westwood bekommen – da wird zwar noch etwas nachgebessert, aber bald ist auch das fertig. Und dann haben wir unser Asylhaus in St. Aegyd am Walde gegründet, wir wollten mit dem Integrationshaus einen Beitrag leisten, der durchaus auch polarisieren darf.


Was tut sich bezüglich des Frauenanteils im Orchester?


ANDREAS GROSSBAUER: Für uns ist das kein Thema mehr, denn seit 1997 ist klar, dass wir mehr Frauen wollen und brauchen. Jetzt sind es fünfzehn, doch es braucht einfach seine Zeit. Es gibt immer mehr Absolventinnen der Musikunis, aber das kann sich nicht so schnell widerspiegeln, weil wir ja nur dann nachbesetzen, wenn jemand in Pension geht.


Und wie sind Ihre Erfahrungen mit den Frauen?


ANDREAS GROSSBAUER: Unterschiedlich, denn es gibt auch neue Herausforderungen wie Mutterschutz und Teilzeit, und das belastet das Kollektiv. Das Orchester wächst ja künstlerisch gemeinsam, und wenn jemand über weite Strecken fehlt, ist das nicht unbedingt ideal. Dieses Problem haben aber auch andere Orchester.


Wird sich am Orchesterrepertoire etwas ändern?


ANDREAS GROSSBAUER: Wir sind immer offen für Neues, aber natürlich bleibt der Hauptanteil die Klassik. Und die Dirigenten, die zu uns kommen, haben ein gewichtiges Mitspracherecht.


Wie ist Ihr Verhältnis zum designierten Staatsoperndirektor Bogdan Roščić?


ANDREAS GROSSBAUER: Er ist ein kreativer Mensch, der mit Weitblick und Stehvermögen plant. Wir arbeiteten schon bisher gut zusammen und sind im konstruktiven Gespräch.


Wollten Sie eigentlich schon immer Philharmoniker werden?


ANDREAS GROSSBAUER: Es ging alles in diese Richtung, auch wenn für mich als Grazer Wien eine gefühlte Ewigkeit entfernt war. Mein erstes Vorspiel hatte ich nicht bestanden und ging dann zu den Wiener Symphonikern. Das waren vier tolle Jahre, aber der Klang der Philharmoniker ließ mich nicht los, er war in meiner DNA verwurzelt. Dann bin ich nochmals in den Ring gestiegen und habe es geschafft.


Spielen Sie als Vorstand noch viel im Orchester?


ANDREAS GROSSBAUER: Sehr viel. Es ist wichtig, den Kollegen nah zu sein und nicht abgehoben zu wirken. Nur Opern leider derzeit nicht.


Was ist Musik für Sie?


ANDREAS GROSSBAUER: Kraftquelle, Inspiration, seelische Hilfe, Beschäftigung mit Tradition und Geschichte. Und Üben. Wir spielen sehr viel bewegende Musik, und es geht immer darum, den Kern zu erkennen. Das kann dauern, aber dann erlebt man Wunderbares. „Es ist wie ein kosmischer Flug in die Schwerelosigkeit“, hat Zubin Mehta einmal gesagt.


Sie besitzen eine Originalgeige von Johann Schrammel?


ANDREAS GROSSBAUER: Ja, ein wunderschönes Stück aus Ahornholz. Früher habe ich auf ihr bei den Philharmonia Schrammeln gespielt. Im Orchester nehme ich die Vuillaume-Geige von Walter Barylli. Als er in Pension ging, kauften die Philharmoniker sie als Dienstgeige an. Ich wünschte so, sie spielen zu dürfen, sie hat den idealen Klang für mich. Das Schicksal war auf meiner Seite.


Ihre Frau Maria, die Chefin des Wiener Opernballs, hat ja Jazzsaxofon studiert. Jammen Sie manchmal mit Ihr?

ANDREAS GROSSBAUER: Nein, aber wir hören gern abends zu Hause miteinander Musik, das haben wir früher exzessiv gemacht. Aber jetzt haben wir einen kleinen Sohn, da geht das nicht.

Seit 175 Jahren aktiv: die Wiener Philharmoniker
Seit 175 Jahren aktiv: die Wiener Philharmoniker © WPH/Richard Schuster